Individuelle Förderung in der Jahrgangsgemischten Schuleingangsstufe

Inhaltsverzeichnis

  1. Die Jahrgangsgemischte Schuleingangsstufe
  2. Individuelle Förderung in der Grundschule
  3. Individuelle Förderung in der Jahrgangsgemischten Schuleingangsstufe
  4. Schlussbetrachtungen
  5. Literatur

Gesamten Beitrag zeigen

 

Individuelle Förderung in der Grundschule

 

In der wissenschaftlichen Pädagogik existieren zahlreiche Definition für eine individuelle Förderung. Allen aktuellen Ansätzen ist gemeinsam, dass sie individuelle Förderung als dynamischen Prozess sehen, in dem Lernen als „aktives Tun von subjektiver Bedeutung in einer Einheit von Denken und Fühlen [verstanden wird]“ (Solzbacher/Behrensen/Sauerhering/Schwer 2012,  S. 4).

Auf der Grundlage von Erkenntnissen aus der Begabungsforschung wird in der nifbe-Forschungsstelle Begabungsförderung individuelle Förderung wie folgt definiert:

„Unter individueller Förderung verstehen wir alle Handlungen von Lehrerinnen und Lehrern und von Schülerinnen und Schülern, die mit der Intention erfolgen, das Lernen unter Berücksichtigung ihrer/seiner spezifischen Lernvoraussetzungen, -bedürfnisse, -wege, -ziele und –möglichkeiten zu unterstützen. Unter individueller Förderung werden also alle Aktivitäten verstanden, die mit der Intention erfolgen, die Persönlichkeitsentwicklung und die Entfaltungen der Fähigkeiten und Begabungen eines jeden Kindes zu unterstützen“ (ebd., S. 31).


Individuelle Förderung in diesem Sinne geht über eine rein kognitive Bildung hinaus. Sie zielt vielmehr auf eine Persönlichkeitsbildung, bei der das Kind all seine Kapazitäten voll ausschöpft. Grundlage dieser Definition stellt ein weites Begabungsverständnis dar, das neben intellektuellen Fähigkeiten auch motorische, soziale, emotional und kreative Begabungen sowie Persönlichkeitsmerkmale, wie beispielsweise die Selbstkompetenz fokussiert. Gelingt es, eine solche individuelle Förderung der einzelnen Schüler und Schülerinnen umzusetzen, kann dies dazu beitragen, einen geeigneten Umgang mit der Heterogenität der Schülerschaft zu finden. Im deutschen Bildungsdiskurs werden die Ergebnisse der PISA-StudiePISA-Studie||||| In der PISA- Studie der OECD werden alle drei Jahre seit 2000 in den Mitgliedsstaaten der OECD die alltags- und berufsrelevanten Fähigkeiten von 15- Jährigen durch Testfragen gemessen. Die mittelmäßigen bis schlechten Ergebnisse 2001 in Deutschland führten dazu, dass vielfach von einem PISA-Schock geredet wurde.  häufig in diese Richtung ausgelegt. Das schlechte Abschneiden Deutschlands bei der PISA-Studie gab den Anstoß dafür nach Ursachen und Lösungen zu suchen. Da Länder, die bei der PISA-Studie besonders gut abgeschnitten haben, wie beispielsweise Korea oder Finnland, mit integrativen Schulsystemen arbeiten (OECDOECD||||| OECD beinhaltet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und besteht aus 34 Mitgliedsstaaten, die sich der Demokratie und Marktwirtschaft verpflichtet fühlen. Die Organisation wurde 1961 gegründet und hatte den Wiederaufbau Europas als Ziel.  2010), muss es, so die Schlussfolgerung, einen Weg geben, wie sie auf die Heterogenität der Kinder angemessen reagieren. Letztendlich kam man zu dem Schluss, dass individuelle Förderung eine Möglichkeit sein kann, um auf die starken Unterschiede zu Beginn der Schulzeit zu reagieren, ohne die leistungsstarken Schüler und Schülerinnen auszubremsen (vgl. z.B. ebd.).

Auch aus der Lernpsychologie sind in den letzten Jahren viele Impulse für eine individuelle Förderung gekommen. So ist es lernpsychologisch belegt, dass Kinder ganz verschiedene Zugänge zum Lernen finden, den Lernstoff unterschiedlich aufnehmen und verarbeiten und dass sie sich Wissen in differenten Lerntempi aneignen. Gestützt wird diese Aussage von neurophysiologischen Forschungen, die belegen, dass unser Gehirn ein Selbstorganisationssystem ist. „Für das Gehirn des Menschen muss man daher annehmen, dass es aus sich selbst heraus am besten weiß, welche Informationen und welche Erfahrungen es wann für seine Entfaltung besonders benötigt“ (Künne/Kuhl/Frankenberg/Völker 2012, S.29).

Als Reaktion auf die Forderung nach mehr individueller Förderung wurde unter anderem auch die Jahrgangsgemischte Schuleingangsstufe entwickelt. Sie ermöglicht laut dem Niedersächsischen Kultusministerium durch das jahrgangsübergreifende Unterrichten und die Aufnahme alle Schüler und Schülerinnen unabhängig ihrer Schulfähigkeit „ein höheres Maß an individueller Förderung“ (2010, S. 2).

In einer Jahrgangsgemischten Schuleingangsstufe, die bewusst eine größere Vielfalt der Schülerinnen und Schüler hervorruft und als Bereicherung für den Unterricht sieht, ist eine solche individuelle Betrachtung der Kinder quasi unabdingbar, erst Recht, wenn der Anspruch gestellt wird, dass jedes Kind innerhalb der ersten zwei Schuljahre die Schulfähigkeit erlangen soll.

Doch wie gelingt es Lehrkräften diese individuelle Förderung umzusetzen und den Grundschulalltag in der Jahrgangsgemischten Schuleingangsstufe zu gestalten, um den im aktuellen Bildungsdiskurs geforderten Ansprüchen gerecht zu werden? Welche Faktoren tragen aus Sicht der Lehrkräfte zum Gelingen und Misslingen einer individuellen Förderung in der Jahrgangsgemischten Schuleingangsstufe bei? Diese Fragen bildeten den Ausgangspunkt für meine Interviewbefragung von fünf Lehrkräften einer niedersächsischen Grundschule zur Erlangung des Mastertitels. Konkret habe ich die Interviewten zu ihrer Verwendung von unterschiedlichen Methoden zur individuellen Förderung in der Jahrgangsgemischten Schuleingangsstufe befragt. Die verlässliche Grundschule, an der die Befragung zu dieser Forschung stattgefunden hat, führte zum Zeitpunkt der Erhebung seit etwas mehr als drei Jahren die Jahrgangsgemischte Schuleingangsstufe. Im Folgenden möchte ich zusammengefasst einige Ergebnisse dieser Befragung zu der Sicht der Interviewten auf individuelle Förderung in der Jahrgangsgemischten Schuleingangsstufe vorstellen.