Begabungen und Selbstkompetenzen

Wer sich angenommen fühlt, lernt besser

Inhaltsverzeichnis

  1. Qualität der Beziehung
  2. Erwerb von Selbstkompetenzen
  3. Selbstkompetenzen und schulisches Lernen
  4. Diagnostik von Selbstkompetenzen
  5. Literatur

Gesamten Beitrag zeigen

Selbstkompetenzen und schulisches Lernen


Welche Rolle spielen nun solche Selbstkompetenzen für schulisches Lernen? Beeinflussen sie wirklich das Ausmaß, in dem Begabung in schulische Leistung einfließen kann? Erste Antworten auf diese Fragen mag ein aktuelles Beispiel aus unserer Forschung veranschaulichen (Biebrich et al., in Vorb.). Es ging darum, wodurch die Schulleistung eigentlich beeinflusst wird. Selbstverständlich hängt die Beantwortung dieser Frage maßgeblich davon ab, ob man die relevanten Selbstkompetenzen verlässlich und hinreichend genau messen kann. Denn umfassende Konstrukte wie die Selbstwirksamkeit oder andere Kontrollüberzeugungen können zwar zur Vorhersage der Umsetzung von Begabung in Leistung herangezogen werden, aber kaum die spezifischen Mechanismen erklären. Wenn z.B. ein Schüler angibt, sich in der Schule nicht wohl zu fühlen und dabei schlechtere Noten hat, erklärt der Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und Noten noch nicht, welche Mechanismen zu den schlechten Noten führen. Dies kann beispielsweise daran liegen, dass der Schüler nur über eine gering ausgeprägte Selbstberuhigungskompetenz verfügt, die es ihm nicht ermöglicht, den alltäglichen Schulstress zu bewältigen. Eine solche Selbstkompetenz kann man fördern und sie vermag dem Schüler wirklich dabei zu helfen, in der Schule besser zurechtzukommen.

Zurück zu unserem exemplarischen Forschungsergebnis: In statistischen Modellen konnten fünf Wege aufgezeigt werden, die die Schulleistung (hier anhand von Noten dargestellt) beeinflussen. Dabei gibt es direkte Wege der Beeinflussung (durchgezogenen Linien) und indirekte Wege (gestrichelte Linien), bei denen zusätzlich vermittelnde Ursachen zwischengeschaltet sind (z.B. Abb. 1).
Abb1
Der erste Weg in Abbildung 1 ist der klassische Befund, dass sich die Intelligenz eines Schülers direkt auf dessen Noten auswirkt, d.h., je höher der Intelligenzquotient (IQ), desto besser fallen im Durchschnitt auch die Noten aus. Diese wie alle anderen in unseren Abbildungen gezeigten Wege waren statistisch signifikant. Der zweite Weg in Abb. 1 zeigt, dass ein höherer IQ-Wert dazu führt, dass der Lehrer des Schülers diesen als insgesamt motivierter einschätzt. Ein solch positives Lehrerurteil wirkt sich dann wiederum positiv auf die Noten aus.
Abb 2


Weg 3 (Abb. 2) zeigt den Einfluss der Leistungsmotivation eines Schülers auf die Noten. Wie zu erwarten, führt eine gesteigerte Leistungsmotivation zu verbesserten Noten. Interessant dabei ist, dass bei dieser Form der Leistungsbereitschaft das Selbst beteiligt ist. Aus unserer Forschung wissen wir, dass einige Formen der Leistungsmotivation keinen positiven oder sogar einen negativen Einfluss auf die Umsetzung der Begabung in entsprechende Leistung haben (z.B. eine abstrakte, nicht konkret gefühlte Leistungsmotivation oder Leistungsziele, die mehr darauf ausgerichtet, besser als andere zu sein, als sich selbst zu verbessern). Dagegen wirkt sich die ins Selbst integrierte (»gefühlte«) Leistungsmotivation durchaus leistungssteigernd aus: Spaß und Freude am Thema untermauern den Willen, Leistung zu erbringen, und ermöglichen dadurch, eigene Begabungen in gute Leistungen umzusetzen. So wird ein Schüler, der sich z.B. für Geschichte begeistern kann, gar nicht merken, wie schnell die Stunde vorüber ist. Ein weniger motivierter Schüler schaut hingegen alle fünf Minuten auf die Uhr, oder er meldet sich zwar, aber nur aus der Überlegung heraus, etwas für die mündliche Note tun zu müssen.

Der vierte, indirekte Pfad stellt den Einfluss der Leistungsmotivation mit Selbst-Beteiligung (»gefühlte Leistungsmotivation«) auf die Planungsfähigkeit dar, diese wiederum wirkt sich günstig auf den Notenschnitt aus. Muss ein Schüler für ein Fach lernen, für das er »Feuer und Flamme« ist, so fällt es ihm leicht, einen Lernplan aufzustellen. Ein Schüler, den das Fach kaum interessiert, verfügt über eine geringer ausgeprägte Planungsfähigkeit, muss hierfür mehr Kraft aufwenden bzw. sich überwinden.
Abb3
In unserer letzten Abbildung (Abb. 3) ist kein direkter Weg, sondern nur der indirekte Weg 5 sichtbar. Hierbei führt eine gut ausgeprägte Selbstberuhigungskompetenz zu einer niedrigeren Stressbelastung. Je niedriger die Stressbelastung ist, desto besser sind die Noten. Ein Beispiel aus dem Sportunterricht: In der Klasse werden heute Noten für das Basketball-Spielen vergeben und eine Schülerin weiß, dass sie in den letzten beiden Stunden schlechte Leistungen erbracht hat. Deshalb ist sie nervös, steht unter Stress. Schafft sie es nicht, den Stresspegel zu regulieren, besteht ein größeres Risiko, auch dieses Mal nicht die gewünschte Leistung zu erbringen. Verfügt sie aber über eine hohe Selbstberuhigungsfähigkeit, so kann sie eigenständig den Stress senken und sich zuversichtlich der Aufgabe widmen. Der Weg 5 zeigt auch, dass sich Selbstkompetenzen nur unter bestimmten Bedingungen auswirken, in diesem Falle nur dann, wenn die Person auch wirklich viel Stress hat.


Verwandte Themen und Schlagworte