Inklusion und Chancen-Gerechtigkeit

Diversity und Verschiedenheit in der Elementarpädagogik

Inhaltsverzeichnis

  1. Orientierung an Norm(wert)en
  2. Intersektionalität: Alles wirkt miteinander
  3. Doing difference – institutionalisierte Benachteiligung
  4. Reflexion von Vielfalt
  5. Das Fremde und das Eigene
  6. Literatur

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Doing difference – institutionalisierte Benachteiligung

Die Einrichtung Kindertagesstätte ist, wie alle anderen Bildungseinrichtungen auch, nicht frei von »doing gender«, »doing ethnicity« oder anderen Manifestationsprozessen von Verschiedenheitskonstrukten. Da aber in der frühkindlichen Pädagogik, wie wohl in keiner anderen Bildungsinstitution sonst, Beobachtung und Wahrnehmung durch die pädagogischen Fachkräfte in Förder- und Entwicklungsprozessen eine so wichtige Rolle einnehmen, gilt es hier besonders, sich die Macht von Zuweisungskategorien bewusst zu machen.

Wir wissen, dass Wahrnehmung bewusst und unbewusst an unsere bisherigen (Lebens-)Erfahrungen in unserer sozialen Umwelt gekoppelt ist. Wahrnehmung ist dabei keineswegs immer ein bewusster Prozess. Sie steuert aber unser Denken und Handeln und hängt direkt zusammen mit unserem Selbstkonzept, unserer Selbstwahrnehmung, unseren Erwartungseffekten und unseren Interaktionen und Einschätzungen, zum Beispiel in der Personenbeurteilung (vgl. Kanning 1999). Eigene, internalisierte Konstrukte und Stereotypien wirken auf unsere Wahrnehmungen und Entscheidungen.

Dies ist gerade für eine Einrichtung wie den Kindergarten von Bedeutung, wo Beobachtung, Wahrnehmung und Dokumentation als Formen der pädagogischen Diagnose zum Alltagsgeschäft gehören und Förderprozesse initiieren und steuern. Aus der Praxis wird in diesem Kontext oft der Ruf nach Checklisten oder ähnlich pragmatischen Alltagslösungen laut. Angesichts der organisatorischen Rahmenbedingungen in Kitas – man denke an den Personalmangel und andere fehlende Ressourcen – ist das Verlangen danach absolut verständlich und nachvollziehbar. Die Verwendung solcher Raster oder Screenings ist jedoch generell mit Vorsicht zu genießen. Gerade im Kontext individualisierter Förder- und Unterstützungsprozesse dürfen wir nicht versuchen, Vielfältigkeit und Individualität durch das Aufzwingen einer Normalskala zu reglementieren und letztlich dadurch wieder zu homogenisieren.

Diese Versuche stehen nicht auf einem wissenschaftlich gesicherten Sockel, sondern scheinen vielmehr Indikator für das Ausmaß an Unsicherheit im Umgang mit Differenz zu sein. Wenn hier aber ein hohes Reflexions- und Handlungsniveau von der Praxis erwartet wird, bedarf es einer entsprechenden inhaltlichen »Grundbesohlung«, und zwar als durchgängiges Prinzip. Konstruktive Schritte zu einem flexibleren, souveränen Umgang mit Heterogenität könnten zum Beispiel durch neue, vertiefende Forschung, engeren Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis und bessere Zusammenarbeit von Wissenschaft und Bildungsträgern entstehen. Hier steckt ein großes Potenzial für eine inhaltliche und praxisorientierte ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.  .



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