Einführung in die Entwicklungspsychologie

Inhaltsverzeichnis

  1. Kindheitskonzepte
  2. Der kulturelle Kontext
  3. Implizite Entwicklungstheorien

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Der kulturelle Kontext

Wenden wir uns nun dem kulturellen Kontext zu, in dem die Vorstellungen von Entwicklungspsychologie und natürlich auch die Person des Forschers, des Wissenschaftlers eingebettet sind. Beginnen wir mit dem Letztgenannten. Wertsch und Youniss (1987) gehören immer noch zu den wenigen Autoren, die sich dieser Problematik bewusst sind und sie auch explizieren. Nach ihrem Verständnis soll der Untersucher eben nicht zu bestmöglicher Maschinengleichheit trainiert werden, sondern in seinem sozialisatorischen Zusammenhang betrachtet werden: «Kontextualisierung des Forschers». Sie sehen bisher drei «Umgangsformen» mit dem Forscher:

1. der Weg der Leugnung (die Notwendigkeit spezieller Analysen zur Rolle des Forschers zu leugnen, «to deny it requires special analysis»);

2. den Einfluss des Kontextes als «Rauschen» zu betrachten, das die unverzerrte Wahrnehmung behindert («that deters clear perception») und

3. zu glauben, dass alle Wissenschaftler in einem soziohistorischen Kontext leben und dass dieser Kontext die Art und Weise beeinflusst, in der sie die Phänomene, die sie erforschen, sehen und verstehen («and that this context influences the way that they understand the phenomena they investigate»; Wertsch & Yourniss, 1987, S. 19).

Natürlich favorisieren sie selbst diese dritte Sichtweise, indem sie programmatisch feststellen: Es gibt keinen Weg den Forscher zu neutralisieren (There is no way to nullify the investigator) (Wertsch & Yourniss, 1987, S. 20). Am Beispiel der Anfänge der US-amerikanischen und der sowjetischen Entwicklungspsychologiegeschichte weisen sie die soziokulturellen Einflüsse auf, die unterschiedliche Forschungsschwerpunkte und Überzeugungen produzieren. Und um diese Zusammenhänge zu verstehen und der Wahrheit näher zu kommen ist es notwendig, die inhärent kontextualisierte Natur jeder Entwicklungspsychologie und jedes/r EntwicklungspsychologenIn zu erkennen («to recognize the inherently contexualized nature of any developmental psychology and any developmental psychologist»; Wertsch & Yourniss, 1987, S. 29 [Übersetzung der Autorin]).

Die Bedeutung des Kontextes und der kulturellen Einflüsse ist mittlerweile anerkannt und erfreulicherweise werden kulturelle Konzepte in der Entwicklungspsychologie immer stärker rezipiert (vgl. Sinha, 1986; Nsamenang, 1992; Greenfield, Keller, Maynard & Suzuki, 2003). Immer mehr Sichtweisen konvergieren darin, dass Entwicklung als die kulturspezifische Lösung universeller Entwicklungsaufgaben verstanden werden kann – Kultur also einen systematischen Einfluss auf Entwicklungsprozesse hat, die nicht ausgeblendet werden können (Keller, 2007).