MINT in der KiTa: Forschendes Lernen lernen

Prof. Dr. Stefan Bree im Interview

Inhaltsverzeichnis

  1. Professionalität und Kompetenzen - Interview Teil 2

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Wie ErzieherInnen forschendes Lernen in der KiTa lernen

Seit Ende 2007 leitet Professor Dr. Stefan Brée den Studiengang „Bildung und Erziehung im Kindesalter“ an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) Hildesheim. Durch seinen Werdegang vom gelernten Erzieher bis zum diplomierten Künstler, vom Werklehrer-Ausbilder bis zum Professor, verbindet und erforscht er Kunst- und Bildungsprozesse: Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Materialien, Gestaltungsprozessen, Umwelt und Menschen? Wie verändern sich Perspektiven beim Lernen und welche Haltung nehmen pädagogische Fachkräfte ein? Schwerpunkt von Brées Forschung und Lehre sind Beobachtungs- und Dokumentationsprozesse ebenso wie die Verbindung aus didaktischen und ästhetischen Fragestellungen in der Arbeit mit Kindern. Anregungen für seine Forschung erhält Brée sowohl aus der Kunst, der Wissenschaft als auch aus der Praxis. Er trägt die Ergebnisse in die Aus- und Weiterbildung von ErzieherInnen zurück. Als Experte und Referent unterstützt er das nifbe unter anderem beim Thema MINT an Fachtagen und im Fachdialog.
 

Herr Professor Brée, Sie leiten seit Jahren Lehrer beziehungsweise KindheitspädagogInnen zum Experimentieren an. Inwieweit hat sich das Feld verändert?

Auch als ich Werklehrer ausgebildet habe, war es mir wichtig  einen spielerischen Zugang zu Materialien und Phänomenen auf dem Niveau kindlichen Denkens anzuregen. Es gab viel Raum zum Experimentieren. Im frühkindlichen Bereich hat sich durch die Bildungspläne der Bundesländer, die konkrete Bildungsperspektiven bedienen, Gott sei Dank einiges verändert. Man hat in die Struktur investiert, Werkstätten und Versuchsräume in KiTas eingerichtet. Man hat erkannt, dass man ErzieherInnen ausbilden muss, die Themen inhaltlich beherrschen und Kinder didaktisch bei ihren Weltzugängen unterstützen können. Beides muss Kontinuität haben, sonst bleiben die Experimentierräume ungenutzt.

 
Das heißt, Sie sind zufrieden damit, wie sich Bildungsprozesse in KiTas entwickelt haben?

Es hat sich zwar viel getan, aber es gibt hundertprozentig Luft nach oben. Die Haltung zum „forschenden Lernen“ ist weder in der Hochschule noch in der Praxis ausreichend verankert. Sagen Sie mal einer Erzieherin „Sie sind Forscher“ – das wird garantiert missverstanden. Forschendes Lernen meint ja eine Haltung, die hohe Anforderungen an die Fachkräfte stellt, vor allem Reflexion. Und die Mittel und Unterstützung, die sie dafür bekommen, sind in der Regel noch zu gering. Das zeigen Studien über die Fachkraft-Kind-Relation beziehungsweise die Umsetzung von Bildungsplänen ja unmissverständlich. Um Bildungspläne auf hohem Niveau umzusetzen, braucht es Unterstützungssysteme, bessere Finanzen, heterogene und gut qualifizierte Teams. Mit besserer Bezahlung, die den Beruf aufwertet und einer besseren Ausbildung könnte man signifikante Fortschritte erzielen – vor allem mehr Männer für den Beruf gewinnen.

Was konkret müsste bei der ästhetischen Bildung verbessert werden?

Den Fachkräften müsste eine offene und variantenreiche Umgebung zur Verfügung stehen. Dann  sollten sie in einem möglichst gendergemischtem Team arbeiten. Und drittens müssten sie sowohl für die Bildungsthemen als auch in Didaktik gut ausgebildet sein: Fachkräfte brauchen einerseits einen Überblick über didaktische Strategien und fachliche Schwerpunkte und sollten andererseits fähig sein wertschätzende Dialoge mit Kindern zu führen: Nicht gleich die Fragen der Kinder beantworten, sondern zulassen, dass die Kinder Hypothesen aufstellen und die Antworten selbst finden. Das bedarf viel Bereitschaft sich auf ungewisse Entwicklungen einzulassen, Offenheit für neues und merkwürdiges, eben eine hohe Sensitivität und Antwortbereitschaft Kindern gegenüber.

Warum fällt es uns Erwachsenen so schwer, auf die Perspektive der Kinder einzugehen?

Es ist eine Kunst, ein langwieriger Prozess, den Kindern diesen eigenen handelnden Zugang zu überlassen. Denn hier liegt unser generelles Problem: Wir haben in unserer Bildungsbiografie gelernt, das man das eigenen Lernen auf die Erwartungen von Erwachsenen auszurichten hat und unterscheiden dann nach richtig und falsch. Wir handeln aus Routinen heraus und haben oft komplett verlernt, was wir bei Kindern den Anfängergeist nennen.  Die Umwelt ist voll von vorgefertigten Weltentwürfen und standardisierten Ideen. Kinder kommen viel zu wenig dazu eigenes, verrücktes und für sie bedeutsames zu gestalten. Wir müssen uns fragen: Sind wir bereit, Kinder bei der eigenen Weltkonstruktionen zu unterstützen – oder wollen wir ihre nur durch unsere oft langweilige ersetzen? Es geht dabei nicht um eine übertriebene Perspektive auf Kindheit. Kinder sind weder Künstler noch Forscher im professionellen Sinn. Entwicklungspsychologisch gesehen sind sie allerdings ebenso begeistert und offen, bereit ständig neues zu erproben und ihre Fantasie zu nutzen. Sie verstehen zwar keine abstrakten wissenschaftlichen Modelle, aber wir sollten ihnen einen spielerischen Zugang zu elementaren Phänomenen ermöglichen, damit sie in ihrer weiteren Entwicklung den Spaß am Lernen nicht verlieren. Es geht um Akzeptanz und Wertschätzung ihres Weltzuganges, den man nicht linear beschleunigen kann. Das Gras wächst nicht schneller, wenn man einfach daran zieht.