Kindertagespflege - ein Überblick des Berufs- und Arbeitsfeldes

Berufsfeld, Betreuungsstatistiken, Qualifizierung, Vergütung, Beschäftigung, Ausbau

Inhaltsverzeichnis

  1. Qualifizierung bis Vergütung
  2. Kindertagespflege in Niedersachsen

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Die als familiennah, flexibel geltende Betreuungsform der KindertagespflegeKindertagespflege|||||Kindertagespflege oder Tagespflege umfasst eine zeitweilige Betreuung von Jungen und Mädchen bei Tagesmüttern oder Tagesvätern. Nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004 ist die Tagespflege neben der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichwertige Form der Kindertagesbetreuung.  in Deutschland wächst und professionalisiert sich: Sowohl die Zahl der betreuten Kinder als auch die der Beschäftigten (+31 Prozent) in der öffentlich geförderten Kindertagespflege stieg seit 2007 kontinuierlich an. Im März 2012 registrierte das Statistische Bundesamt (Destatis) 43.435 Tagespflegepersonen. Zudem ist die Rate derer, die weder eine fachpädagogische Ausbildung noch einen Qualifizierungs-Grundkurs abgeschlossen hat, seit 2007 auf sechs Prozent (-15 Prozent) gesunken. Dennoch steht das alternative Berufs- und Betreuungsfeld zur KiTa auf wackeligen Beinen: Geschwindigkeit des Ausbaus, Vergütung und Rahmenbedingungen liegen sowohl unter den gesetzlichen Vorgaben (Kinderförderungsgesetztes KiFög 2008) als auch unter den Erwartungen von  (potenziellen) Tagespflegepersonen. Kitaundco gibt einen Ein- und Überblick in Zahlen und Fakten.

Über 90 Prozent der Tagespflegepersonen nennen die Liebe zur Arbeit mit Kindern als einen der wichtigsten Gründe für ihre Berufstätigkeit, fand 2011 eine Befragung von 3.623 Tagespflegepersonen im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) heraus. Eine karitative Motivation allein reicht jedoch nicht aus, um die - im Kinderförderungsgesetz 2008 vereinbarte - stärkere Bedeutung und den Ausbau der Kindertagesbetreuung zu erreichen. Ziel war es, dass Tagesmütter und -väter 30 Prozent des Betreuungsangebots (nur Westdeutschland) stellen. 37.000 neue Plätze für U3-Kinder hätten auf dieser Basis zwischen März 2009 und 2012 entstehen müssen. Tatsächlich fehlten jedoch 12.000 Plätze bis zu diesem Ziel. In den nächsten Jahren sind es sogar 80.000 Plätze, die von Tagespflegepersonen angeboten werden müssten, um den Bedarf zu decken. Ursachen für den Mangel und die geringe Attraktivität des Beschäftigungsfeldes sind vor allem ökonomisch und strukturell bedingt. (Zahlen: Destatis 2012).

Tagesmutter, meist älter, selbständig, qualifiziert

Der Steckbrief einer Tagespflegeperson:

  • Alter: Zwei Drittel der Tagespflegepersonen sind 40 Jahre und älter. Im Vergleich zu Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen ist das weit mehr.
  • Geschlecht: Nur drei Prozent der Beschäftigten sind Tagesväter.
  • Beschäftigungsform: 96 Prozent sind selbständig tätig.
  • Qualifizierung: Aktuell haben 32 Prozent der Tagesmütter und -väter eine fachpädagogische Ausbildung und 84 Prozent einen Qualifizierungskurs abgeschlossen.
  • Anzahl betreuter Kinder: 2,9 Kinder betreut eine Tagesmutter oder ein -vater durchschnittlich.
  • Alter der betreuten Kinder: Zwei Drittel der betreuten Kinder sind unter drei Jahren.
  • Ort der Betreuung: Drei Viertel der Tagespflegepersonen betreuen die Kinder in der eigenen Wohnung.
  • Umfang der Betreuung: Durchschnittlich bieten Tageseltern 35 Stunden Betreuung in der Woche, hinzu kommen sieben Stunden Vorbereitung.

Folgende Wünsche an ihr Berufsumfeld haben Tagespflegepersonen in der Befragung 2011 geäußert:

  • Weiterbildungsförderung
  • Anerkennung und positives Image (als gleichrangige Alternative zu KiTa)
  • Leistungsgerechte Bezahlung
  • Partnerschaft und Vernetzung mit KiTas, Fach-Beratungen, et cetera
(Zahlen: Destatis 2012, Befragung der Tagespflegepersonen 2011)

Tagespflege versus KiTa: familiennah, flexibel, U3

Im Vergleich zur Anzahl der Beschäftigten in der KiTa (468.000) macht die Tagespflege zahlenmäßig nur 43.400 Betreuungspersonen aus. Ihren Schwerpunkt und ihre Stärke hat die Kindertagespflege in der Betreuung von Kindern unter drei Jahren.

Entsprechend der oben geschilderten Merkmale betreuen Tageseltern wenige Kinder in einem familiären, familienähnlichem Umfeld. Weniger Lärm, die "emotionale Bereitschaft und Feinfühlichkeit der Betreuungsperson" sowie die konstante Beziehung zu ihr und den Tagesgeschwistern vermitteln Kindern viel Sicherheit und den Ausgangspunkt für Explorations- und Selbstbildungsprozesse. Diese Vorteile in der Beziehung und darausfolgend für die Denk- und Sprachprozesse von Kindern untermalt die Studie „Parenting and Co-Parenting“ aus Niederösterreich (Ahnert, Uni Wien, 2012). Sie wurde im Rahmen der BMFSJ-Bundeskonferenz zu "Zukunftsperspektiven der Kindertagespflege in Deutschland" am 23. April 2012 dokumentiert (siehe Link unten).

Zudem kommen auch die Bedürfnisse und Wahlrechte der Eltern in der Tagespflege stärker zum Tragen: Bedarfsgerecht(er) und passgenau(er) kann die Betreuungsperson zeitliche, erzieherische und pflegerische Erfordernisse und Wünsche der Eltern sowie individuellen Förderbedarf erfüllen.


Qualifizierung und Weiterbildung: Niveau steigt

Das Qualifizierungsniveau unter Tagespflegepersonen ist in den letzten Jahren hauptsächlich durch die Teilnahme an Grund-Qualifizierungskurs von 160 Stunden angestiegen. 57 Prozent der Tagesmütter und -väter haben diesen 2012 abgeschlossen (vergleiche 36 Prozent in 2007). Zudem verfügen 32 Prozent der Betreuungspersonen über einen fachpädagogischen Berufsabschluss (ErzieherIn, KinderpflegerIn, Diplom-SozialpädagogIn/-arbeiterIn). Die übrigen haben einen nicht-pädagogischen oder keinen Beruf. Jedoch verfügen 32 Prozent sowohl über den Qualifizierungskurs als auch über eine sozialpädagogische Ausbildung.

Insbesondere in den neuen Bundesländern (ohne Berlin) ist das Qualifikationsniveau der tätigen Tagespflegepersonen sehr hoch: Während im gesamten Bundesgebiet sechs Prozent keinerlei Grundqualifizierung haben, sind das im Osten der Republik nur zwei Prozent. Im praktischen Bereich  haben gesamtdeutsch ein Viertel der Tagespflegepersonen bereits Erfahrungen in Kindertageseinrichtungen gesammelt.

Auch im Bereich der Weiterbildung ist die große Mehrheit der Tagespflegepersonen aktiv: 86 Prozent gaben in der Befragung 2011 an, in den vorangegangenen zwölf Monaten an mindestens einem Bildungsangebot teilgenommen zu haben. Der Bundesverband der Kindertagespflege (BVKTP) bemerkt jedoch kritisch, dass das Landesrecht - und damit die Träger - eine (fortlaufende) Qualifizierung der Tagesmütter und -väter wenig bis gar nicht honorieren. Auch hier werden Anreize zur leistungsgerechten Vergütung, und damit zur Attraktivität und Ausbau des Berufsfeldes vergeben.

(Zahlen: Destatis 2012, Befragung Tagespflegepersonen 2011)

Angebot ausbauen? Eine Frage der Vergütung

Laut der Befragung der über 3.000 Tagespflegepersonen 2011 stellt sich die große Mehrheit zwar eine dauerhafte Berufstätigkeit in der Kindertagespflege vor (91 Prozent). Jedoch sind 36 Prozent der Befragten unzufrieden mit der Vergütung: Durchschnittlich erhalten Tageseltern 3,18 Euro pro Stunde und Kind (ohne Sachkosten und Sozialversicherungsbeiträge).  Ob sie das Angebot ausweiten, machen daher wiederum fast zwei Drittel (65 Prozent) der Betreuungspersonen davon abhängig, ob die Verdienstchancen steigen oder zumindest gleich bleiben. Das Ergebnis zeigt eindeutig, welche starke Hebelwirkung eine Sicherung und Erhöhung der Vergütung für das Tagespflegeangebot hat.

Die Leistungen der Tagespflegebetreuung sind geregelt im SGB VIII (Paragraf 23). Jedoch legt das Gesetz keine konkrete Vergütung fest. Stattdessen soll sich die Honorierung orientieren an:
  • zeitlichem Umfang der Betreuung
  • Zahl der betreuten Kinder
  • Förderbedarfe der betreuten Kinder
  • sowie laut Bundesverband der Kindertagespflege an Tarifverträgen und etablierten Vereinbarungen zu ähnlichen Leistungen auf Bundes- beziehungsweise Landesebene
Tatsächlich regelt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe - und damit das Landerecht - die Stundensätze von Tagespflegepersonen. Hinzu kommen unterschiedliche Finanzierungsmodelle, zusammengesetzt aus Beiträgen von
  • aussschließlich Jugendamt
  • Jugendamt und einem Beitrag der Eltern
  • Jugendamt, Eltern und freien Trägern


Vergütung: Eigentlich 4,30 Euro Stundensatz laut KiFöG

Die Beiträge des Jugendamtes berücksichtigen Sachaufwendungen (Betriebskosten, Spielzeug), die Förderungsleistung der Tagespflegeperson, Sozialleistungen für eine nachgewiesene Unfallversicherung, die Hälfte des Beitrages für eine Alterssicherung oder Rentenversicherung sowie eine angemessene und nachgewiesene Kranken- und Pflegeversicherung.

Entgegen der durchschnittlichen 3,18 Euro Stundensatz pro Kind, die die Tagespflegepersonen in der Befragung angaben, legt das Kinderförderungsgesetz vom BMBFSFJ einen Stundensatz von mindestens 4,30 Euro (ohne Sachkosten und Sozialversicherungsbeiträge) zugrunde. Den bieten die meisten Jugendamtsbzirke nicht.

In der privaten Kindertagespflege sind beispielsweise in Niedersachsen zwischen 3 und 7 Euro Stundensatz üblich. Teilweise fördert das Jugendamt auch die private Tagesbetreuung.

Zur Verbesserung der leistungsgerechten Bezahlung und Wertschätzung in der Kindertagespflege sind verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, fachliche Empfehlungen und wissenschaftliche Ergebnisse erforderlich, unter anderem zur Qualität und Intensität der Tagespflege bei hauptsächlich jüngeren Kindern.

Beschäftigungsverhältnis: Mehr Festanstellung gewünscht

Neben der Vergütung ist das zweite entscheidende Kriterium für die Attraktivität der Tagespflege-Tätigkeit die Sicherheit der Beschäftigung und des Einkommens. Nur vier Prozent der Betreuungspersonen sind angestellt, die meisten bei Eltern. Der übrige größte Anteil ist selbständig tätig. Die Ausweitung der sichereren sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse ist ein weiterer Stellhebel für den erfolgreichen Ausbau der Kindertagespflege.

Der Bundesverband der Kindertagespflege sieht den Ausbau der Festanstellung aus drei Gründen für zukunftsfähig und notwendig:
  1. Zum einen generiert eine höhere Quote der Festanstellung mehr Verbindlichkeit und Sicherung, sowohl für die angestellten Tageseltern (Existenz) wie auch für die Eltern selbst (Betreuungszuverlässigkeit, Vertretung).
  2. Zum zweiten kann eine höhere Anstellungsquote die gesetzlich gewünschte Gleichstellung von Beschäftigten in KiTa und Kindertagespflege bewirken - als zwei gleichwertige Betreuungsmodelle.
  3. Zu guter Letzt wird ein "ordentliches Arbeitsverhältnis" im Bereich der Kinderbetreuung in zukünftigen Bewerbungssituationen stärker anerkannt als eine selbständige Tätigkeit.
Das BMBFSFJ hat auf den Wunsch nach mehr sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung mit dem Projekt "Förderung von Festanstellungsmodellen in der Kindertagespflege" reagiert. Seit Juni 2012 unterstützt es dieses mit Bundesmitteln und Finanzierung aus dem Europäischen Sozialfond (EFS).

Vernetzung und Beratung: Augenhöhe mit KiTas gewünscht

Ein wichtiges Merkmal zur Qualitätssicherung und Zufriedenheit bei Kindertagspflegepersonen sind Unterstützungs- und Austauschsyteme auf lokaler Ebene. Der Bundesverband für Kindertagespflege hat dabei folgende identifiziert:
  • Sozialräumliche Vernetzung mit Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe – zum fachlichen Austausch und für die Kinder
  • Beteiligung und Anbinden an Vereine und Berufsverband – zur  Vertretung Eigenständigkeit der Berufsgruppe
  • Fachberatung beim verantwortlichen Träger oder bei den überregionalen Stellen des Bundesverbands Tagespflegepersonen

 


Kindertagespflege in Niedersachsen

In Niedersachsen werden laut Destatis (März 2012) 18.362 Kinder (in öffentlicher Förderung) von Tagesmüttern und -vätern betreut, davon 10.034 unter Dreijährige. Damit gehört es hinter Nordrhein-Westfalen (34.000 Kinder) und Baden-Württemberg (18.900 Kinder) zu den Bundesländern, die sehr viele Kinder im Bundesvergleich in dieser Form betreuen. Bei den Beschäftigten registriert Niedersachsen 5.812 Tagespflegepersonen. Das Qualifikationsniveau entspricht dem bundesdeutschen Durchschnitt.

Informationen erhalten Interessierte bei diesen niedersächsischen Stellen:

  • Jeweiliges Familien- und Kinderservicebüro der Stadt oder Kommune

 

  • Tagespflegebüro Niedersachsen (Göttingen), getragen vom Kultusministerium Niedersachsen: Jährliche Fachtagung, Qualifizierung und Beratung, Fortbildungsangebot: Link

 

  • Ausführliche Dokumentation der Fachtagung 2011, Tagespflegebüro Niedersachsen: Link

 

  • Der Bundesverband für Kindertagespflege verzeichnet in Niedersachsen 17 Mitgliedsvereine von Buchholz bis Bramsche: Link (siehe Rubrik "Mitgliedsvereine")

 

  • Portal Familien mit Zukunft Niedersachsen, getragen vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration: Link

 

  • Wegweiser Kindertagespflege in Niedersachsen, herausgegeben vom Kultusministerium Niedersachsen: Link