Gesundheit und Gesundheitsförderung nach dem „K!GG“-Konzept

Inhaltsverzeichnis

  1. Der Gesundheitsstatus von Kindern
  2. Auswirkungen der gesundheitlichen Problemlagen
  3. Die Erfahrungen aus dem Setting Schule
  4. Die Grenzen der Gesundheitsförderung in Kitas
  5. Der neue Blickwinkel von K!GG
  6. Integriertes Gesundheitsmanagement im Konzept »K!GG: Kita Gut & Gesund«
  7. Definition der Guten Gesunden Kita
  8. Fazit

Gesamten Beitrag zeigen

Gesundheit oder Bildung? Beide Themen sind unbestritten relevant. Die Diskussionen zu diesen Themen im Kita-Bereich scheinen aber kaum voneinander Kenntnis zu nehmen. Vorgestellt wird in diesem Beitrag das im Rahmen eines vom nifbe geförderten Projektes entwickelte Konzept »K!GG: Kita Gut & Gesund. Das Programm für Integriertes Gesundheitsmanagement«. Hierbei werden Gesundheit(-sförderung) und die Entwicklung von Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsqualität verknüpft.

 

Die Gesundheit der pädagogischen Fachkräfte

Das pädagogische Fachpersonal in Kitas ist über die Jahre vermehrt vielfältigen Belastungen ausgesetzt. Sie ergeben sich aus der gewachsenen Komplexität der Aufgaben und Qualitätsansprüchen an die Arbeit in Kitas. Diese Belastungen führen zunehmend auch zu gesundheitlichen Beanspruchungen bei den Leitungskräften der Kitas sowie beim pädagogischen Personal (BGW-DAK 2000; Rudow 2004; 2008; Fuchs et al. 2008).


In Umfragen werden fast gleichlautend vor allem die folgenden Beschwerden genannt:

 

  • Nacken- und Rückenbeschwerden (6 Prozent)
  • Erschöpfung und Müdigkeit (46 Prozent)
  • Kopfschmerzen (36 Prozent)
  • Schlafstörungen (31 Prozent)
  • leichte Erregbarkeit und Unkonzentriertheit (31 Prozent)
  • Augenschmerzen (27 Prozent),
  • Magen-Darm-Beschwerden (23 Prozent)
  • Stimmprobleme (22 Prozent) (nach Seibt et al. 2005).

 

Auffällig sind die hier sichtbar werdenden psychischen und psychosomatischen Beanspruchungen, die im Vergleich zu vielen anderen Berufen überdurchschnittlich häufig hoch ausgeprägt sind. So fühlen sich auch etwa 10–30 Prozent der Erzieher/innen emotional erschöpft oder ausgebrannt. Die Leitungskräfte der Kitas weisen hier durchweg etwas höhere Werte auf. Von besonderer Relevanz ist auch der Altersfaktor (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008). Die zunehmend älter werdenden Fachkräfte in den Kitas benötigen eine spezielle Förderung ihrer persönlichen Leistungsentwicklung.


Der Gesundheitsstatus von Kindern

Das Kindesalter gilt als ein relativ gesunder Lebensabschnitt. Infektionskrankheiten, die früher ein großes Problem darstellten, sind unter anderem dank entsprechender Impfungen stark rückläufig. Ebenso ist die Säuglings- und Kindersterblichkeit in Deutschland deutlich zurückgegangen.


Allerdings hat sich auch die Gesundheitssituation der Kinder in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren nicht nur positiv verändert. So ist belegt, dass bereits etwa 20 Prozent der Vorschulkinder klinisch bedeutsame Anzeichen von Ängsten, Depressionen, aggressivem Verhalten, oppositionellem Trotzverhalten und hyperkinetischen Störungen aufweisen (Beelmann et al; Kuschel & Verhulst 2006; Tröster & Reineke 2007; Ravens-Sieberer et al. 2007, Sinzig & Schmidt 2007; Robert Koch Institut 2008). Hinzu kommen Kinder mit chronischen Erkrankungen unterschiedlichster Art sowie Kinder mit Verletzungsfolgen und Behinderungen (BZgA 2002).
Deutlich wird zudem, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen generell einen sozialen Gradienten aufweisen (BMFSFJ 2009). Kinder aus sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen, die vielfach auch noch Migrationserfahrungen mitbringen, sind deutlich mehr gesundheitlich beansprucht und weisen auch vermehrt gesundheitliche Problematiken auf (Robert Koch Institut & BZgA 2008).
Kitas sind deshalb auch mit vielfältigen gesundheitlichen Problemlagen, die die Kinder aus ihren familialen Kontexten mit in die Kitas hineinbringen, konfrontiert.


Auswirkungen der gesundheitlichen Problemlagen


Die Folgen, die sich für die pädagogischen Fachkräfte durch die gesundheitlichen Situationen ergeben, sind nicht nur für die Lebensqualität der Fachkräfte relevant, sondern sie haben auch Auswirkungen auf ihre berufliche Leistungsfähigkeit. So kann z.B. ein/e Erzieher/in, der/die während der Ausübung ihrer Tätigkeit unzufrieden ist und/oder Zeichen negativer Beanspruchungsfolgen wie Stress und Burnout aufweist, nur schwer kindorientiert arbeiten und damit nur unzureichend den Bildungs-,Erziehungs- und Betreuungsauftrag erfüllen (Staatsministerium für Soziales Freistaat Sachsen 2008). Maßnahmen zur Erhaltung bzw. Förderung der Gesundheit von Erziehern/innen sind daher von besonderer Bedeutung. Gesundheit ist nicht nur ein Outcome, sondern erweist sich als eine wichtige Ressource im Arbeitsalltag der Kitas. So ist aus dem betrieblichen Gesundheitsmanagement bekannt, dass eine Investition in die Gesundheit der Mitarbeiter/innen zu einer höheren Leistungsbereitschaft und -fähigkeit sowie zu einer höheren Qualität des betrieblichen Angebotes führen (Oppolzer 2008; Badura 2008).


Neben den arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren hat die Tätigkeit als Erzieher/in aber auch gesundheitsfördernde Potentiale, die entwickelt werden können. Gestaltungsspielräume in der Arbeit mit den Kindern, das Erleben von positiven Entwicklungsverläufen stärken die berufliche Kompetenz und tragen zur Ausbildung von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen bei, die wiederum die Basis für eigenverantwortliches, als sinnvoll erlebtes und lösungsorientiertes Handeln bilden. Dies wirkt sich stressmindernd, Leistung erhöhend und gesundheitsfördernd im Sinne der Förderung des Kohärenzgefühls aus (Bengel et al. 2002). Dies bedeutet, dass Gesundheit sich als eine wichtige Ressource im Arbeitsalltag der Kitas zur Verbesserung der Arbeitsprozesse und Ergebnisse erweist.


Und auch die gesundheitliche Situation der Kinder ist aus einer pädagogischen Perspektive heraus bedeutsam. Untersuchungen belegen, dass ein vielfältiger Zusammenhang zwischen der gesundheitlichen Situation von Kindern und deren Lernerfolg besteht (Hascher 2004a, b; Schneider 2005; Rustemeyer 2007). Gesundheitliche Ressourcen schaffen Lernvoraussetzungen, die wiederum die Bewältigung von Anforderungen und Lernerfolge ermöglichen (s. Abb. 1). Mit Blick auf die Kinder bedeutet die ressourcenorientierte Sichtweise, dass Gesundheit nicht nur als Outcome anzusehen ist, sondern als Inputfaktor Kinder in den vielfältigen Lebensbereichen unterstützen kann, die Lern- und Entwicklungsziele zu erreichen.


Kitas haben als erste Bildungsinstitutionen eine besondere Möglichkeit, die ungleich verteilten Lern- und Gesundheitschancen auszugleichen. Chancengleichheit sieht deshalb auch das Bundesjugendkuratorium (2008) als zentrale Herausforderung der Kitas an. In gleicher Weise betont der 13. Kinder- und Jugendbericht (BMFSFJ 2009) den Stellenwert von Gesundheit und Gesundheitsförderung in der Kinder- und Jugendarbeit. In der Praxis erfolgt jedoch die Verzahnung in der Entwicklung von Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsqualität und Gesundheitsqualität jedoch nur vereinzelt und wird bisher kaum diskutiert. Trotz des offensichtlichen wechselseitigen Bedingungsgefüges von Lernen und Gesundheit entwickelten sich bisher (ähnlich wie im System Schule) sowohl die Qualitätsdiskussion der Gesundheitsförderung im Setting Kita als auch die Qualitätsdiskussion im System Kita unabhängig voneinander.
Sicherlich lassen sich die Entwicklungen im System Schule nicht einfach übertragen. Die führenden Projekte und Programme im Bereich Schule (s. z.B. Pilotprojekt der Guten gesunden Schule »Anschub.de – Allianz für nachhaltige Schulgesundheit und Bildung« (Paulus 2009), aber auch z.B. das Landesprogramm »Bildung und Gesundheit« Nordrhein- Westfalen (www.bug-nrw.de); das Landesprogramm »Schule&Gesundheit« Hessen (www.schuleundgesundheit.hessen. de) zeigen jedoch, dass sich Lernen und Gesundheit miteinander verknüpfen lassen und stiften auch für das System Kita interessante Entwicklungsperspektiven.

Abb.: Der Zusammenhang von Bildung und Gesundheit.

Die Erfahrungen aus dem Setting Schule

Im Zentrum dieser Entwicklungsperspektiven steht analog zu dem Ansatz der »Guten gesunden Schule« der Ansatz der »Guten Gesunden Kita«. Hintergrund der Entwicklung der Guten gesunden Schule ist die begrenzte Wirksamkeit bisheriger Ansätze schulischer Gesundheitsförderung. Zwar gibt es »Modelle guter Praxis« aber kaum eine »Praxis der guten Modelle«, eine nachhaltige Verankerung der Gesundheitsfördernden Schule gibt es kaum (Paulus & Witteriede 2008). Die Gründe hierfür sind vielfältig und haben wesentlich damit zu tun, dass das Thema Gesundheit nicht aus einer schulpädagogischen Diskussion hervorgegangen ist, sondern vom Gesundheitssektor mit z.T. erheblichen finanziellen Unterstützungsleistungen an die Schulen herangetragen worden ist. Die Schule beschäftigt seit Beginn der 1990er-Jahre aber ganz andere Probleme. Sie ist in eine tiefe Legitimationskrise geraten, die sie dazu zwingt, ihren pädagogischen Sinn neu an Bildungszielen auszurichten, für deren Verwirklichung die pädagogische Schulentwicklung den Qualitätsrahmen bildet. Der Guten gesunden Schule liegt nun die Annahme zugrunde, dass erst wenn Gesundheitsförderung sich als Förderung der Schulqualität versteht, sie von den Mitgliedern der Schulgemeinschaft auch als Unterstützung ihres professionellen pädagogischen Handelns erlebt wird und nicht nur als eine zusätzliche Aufgabe, die es auch noch neben all den anderen erledigen sollen (Paulus 2003). Erste Evaluationen zeigen, dass der Ansatz vielversprechend ist (Paulus 2009).


Die Grenzen der Gesundheitsförderung in Kitas


Die Erfahrungen aus der Gesundheitsfördernden Schule lassen sich auf das Setting Kita übertragen. Auch für das Setting Kita konnte sich die Gesundheitsförderung bislang nicht in der Breite etablieren. So wurde für das Setting Kita bislang – mit wenigen Ausnahmen – nicht nur kein (wie bereits in den 1990er Jahren für die Schule) Organisationsmodell der Gesundheitsfördernden Kita entwickelt, sondern jüngere, repräsentativ angelegte Untersuchungen zeigen, dass im Kita-Bereich das Thema Gesundheit und Gesundheitsförderung auch heute noch nicht in der nötigen Breite, vor allem nicht die Gesundheit des Personals berücksichtigt wird. Aber auch die Maßnahmen zur Gesundheitsförderung der Kinder seien in der Breite unbefriedigend (Cierpka, Stasch & Groß 2007; Kliche 2008).

 

Der begrenzende Blick der Gesundheitsförderung auf die Kita

Als Erklärung für diese Grenzen der Gesundheitsförderung im Setting Kita muss das Fächerspektrum der Gesundheitsförderung selbstkritisch anführen, dass auch im Setting Kita die Gesundheitsförderung aus dem Blick verloren hat, dass Kitas sich ähnlich wie Schulen in einem anhaltenden Modernisierungsprozess befinden. Dieser zwingt auch sie dazu, den pädagogischen Sinn ihrer Arbeit neu auszurichten, für deren Verwirklichung die pädagogische Qualitätsentwicklung das Maß bildet. So leitet auch sie ihren Auftrag aus den Bildungs-,Erziehungs- und Betreuungszielen ab und nicht aus den Zielen des Gesundheitswesens.


Kitas werden spätestens seit der aktuellen Bildungsdebatte, die sich um das Leitmotiv »Bildung von Anfang an« dreht, ungebrochen mit hohen Leistungs- und Qualitätsansprüchen konfrontiert. Früher Bildung wird hoher Einfluss auf die schulische Leistungsentwicklung, Entwicklung der Alltagskompetenzen eines Kindes und seiner Persönlichkeitsentwicklung zugesprochen (vgl. Bertelsmann-Stiftung 2008). Kennzeichen der bisherigen Gesundheitsförderung auch im Setting Kita war und ist es jedoch, dass die Kita in den Dienst der Gesundheit gestellt wurde bzw. wird und das Erreichen von Gesundheitszielen vorrangiges Ziel war bzw. ist. Gesundheitsförderung ist also nicht explizit auf die Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsaufträge der Kita ausgerichtet und unterstützt Kitas nicht gezielt in dem heute im Vordergrund stehenden Kernanliegen, nämlich pädagogische Qualität zu entwickeln. Sie geht auch gar nicht von den pädagogischen Problemstellungen der Kita aus.


Der neue Blickwinkel von "K!GG"

Die Gute Gesunde Kita nimmt eine neue Perspektive ein und geht in ihrem Konzept von der Bildungs-, Erziehungs und Betreuungsorganisation Kita als selbstorganisiertem sozialen System aus. Dabei hebt sie den Dualismus zwischen Autopoiesis (vgl. z.B. Luhmann 1984) und sozial-kultureller Konstruktion (vgl.z.B. Berger & Luckmann 2009) auf und plädiert für einen moderaten Konstruktivismus.


Die Gute Gesunde Kita versteht Systeme (soziale wie psychische) zwar als selbstorganisiert in dem Sinne, dass sie ihre Wirklichkeit und ihr Wissen subjektiv bedeutsam konstruieren. Diese Konstruktionen müssen aber immer aus dem Kontext einer Kultur und Lebenswelt heraus verstanden werden, mit der die Systeme in Interaktion und Kommunikation stehen. Der Erhalt und die Entwicklung eines Systems und deren Realität sind also stets als moderiert durch die Beziehungen und den DiskursDiskurs|||||Der Begriff Diskurs kann verschiedene Bedeutungen haben, wurde ursprünglich jedoch als  „hin und her gehendes Gespräch“ verwendet. Weitere Bedeutungen sind: theoretische Erörterung, systematische, methodische Abhandlung, gesellschaftliche Auseinandersetzung, Erörterung. Sinnverwandt sind auch Debatte, Diskussion, Disput.  mit seiner Umwelt (also anderen Systemen) zu verstehen. Diese Beziehungen unterliegen dem Kriterium der Viabilität oder auch Passfähigkeit, d.h. die an ein System herangetragene Information an sich ist nicht vorrangig, sondern die Nützlichkeit der Information für das System. Hier setzt die Gute GesundeKita an.
Die Gute Gesunde Kita steht zunächst zwar wie die Gute gesunde Schule in der Tradition der Gesundheitsförderung, die auf der Grundlage der Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation (vgl. WHO 1986) seit den 80er Jahren umfassend in Deutschland entwickelt worden ist und hat die Prinzipien bzw. Werte mit übernommen, die für die Gesundheitsförderung maßgeblich geworden sind. Aus systemisch- konstruktivistischer Sicht entscheidend ist jedoch, dass sie an die Realität des Systems Kita anknüpft und in ihrem Sinne viable Informationen zur Verfügung stellt. Es geht der Gesundheitsförderung mit dem Konzept der Guten Gesunden Kita darum, eine dem Kita-System immanente Interaktion und Kommunikation zur Verfügung zu stellen, die dessen Entwicklung als Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsorganisation ermöglicht. Die Prävention und Gesundheitsförderung hat bis heute im Setting Kita aber strukturell, prozessual und zielbezogen als paralleles System zu dessen systemimmanenten Logik agiert und nur eine geringe Passgenauigkeit ermöglicht. So folgt die Kita einem pädagogischen Auftrag und pädagogischen Zielen, nicht aber einem Auftrag der Prävention und Gesundheitsförderung, des Gesundheitswesens und Gesundheitszielen.


Zwar haben Kitas auch einen sozial generierten Auftrag der Gesundheitsbildung und -erziehung übernommen, der im Interesse des Systems der Prävention und Gesundheitsförderung steht und der sich in dem Lernbereich »Körper, Bewegung und Gesundheit« ausdrückt. Das Handeln der Kita ist dabei aber nicht primär auf Gesundheitsziele gerichtet, wie z.B. der Prävention von Fehlernährung und Erlernen von Hygieneverhalten, sondern hat ein weit darüber hinausgehendes Ziel der vielfältigen Bewegungserfahrungen als Anreize für die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder und der Erschließung der Welt. Diese Ziele stehen im Zusammenhang des übergeordneten Bildungs- und Erziehungsziels der Frühpädagogik und das über den Lernbereich »Körper, Bewegung und Gesundheit« weit hinausreichende Ziel, Lernerfahrungen zu ermöglichen, die Kindern eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung und ihnen eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen, sie für das Leben in einer sich wandelnden Gesellschaft handlungsfähig machen. Auch ein modernes Gesundheitsförderungsverständnis im Sinne der Ottawa-Charta, das im emanzipatorischen Sinne auf die Befähigung der Menschen, also auch der Kinder zur Wahrnehmung eigener gesundheitsbezogener Interessen und erhöhten Kontrolle über Determinanten ihrer Gesundheit zielt, ist dabei dann zunächst verengt auf Gesundheitsziele ausgelegt.


Die Gute Gesunde Kita vertritt daher den Standpunkt, dass das System der Prävention und Gesundheitsförderung einseitig und systementfremdend im pädagogischen Setting Kita agiert, wenn sie ihre Bemühungen nicht in den Dienst der Kita und deren Bildungs-,Erziehungs- und Betreuungsauftrag stellt, sondern die Kita als Forum und Medium für ihre eigenen Interessen nutzt. Es wird nicht in Frage gestellt, dass Gesundheit als Menschenrecht in allen Lebenszusammenhängen, auch im Arbeits- und Lernort Kita berücksichtigt werden muss, aber Gesundheit und Gesundheitsförderung muss aus Sicht der Guten Gesunden Kita immer eine Kopplung mit dem Organisationsauftrag ermöglichen, um nachhaltig wirksam werden zu können.


Integriertes Gesundheitsmanagement im Konzept »K!GG: Kita Gut & Gesund«

Die Gesundheitsförderung hat also bisher einseitig die sozial-kulturellen Notwendigkeiten eines Gesundheitsförderungssystems ins Zentrum gestellt und sich an der Systemlogik der Kita sozusagen vorbei oder parallel dazu entwickelt. Die Gute Gesunde Kita nimmt eine veränderte Perspektive ein. Sie vertritt den Standpunkt, dass die Gesundheitsförderung im System Kita die Perspektive der Kita einnehmen muss, das System Kita bei ihrem Auftrag Bildung, Erziehung, Betreuung unterstützen muss. Ziel muss die nachhaltige Entwicklung der Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsqualität sein. Die Entwicklung der Gesundheitschancen von Kindern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Kita kann aber dazu einen Beitrag leisten, wie weiter oben aufgezeigt wurde.


In der Guten Gesunden Kita wird Gesundheit als Ressource für die nachhaltige Verbesserung der Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsqualität mit Blick auf die angestrebten Lern- und Entwicklungsziele für die Kinder verstanden, Bildung, Erziehung und Betreuung wiederum als Ressource für Gesundheit. Gesundheit wird dabei grundsätzlich als Voraussetzung verstanden, unter der Leistung in Arbeit und Beruf sowie Lernen und Entwicklung erst möglich wird und »abgerufen« werden darf. Entscheidend ist aber, dass die Gute Gesunde Kita den Settingansatz der Gesundheitsförderung dabei eng an den im sozialen Diskurs generierten Organisationsauftrag der Kita koppelt. Die Gute Gesunde Kita begreift Gesundheit als vermittelndes Gestaltungselement für die Entwicklung der Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsqualität. Sie versteht sich vorrangig als ein Ansatz der pädagogischen Qualitätsentwicklung.


Ausgegangen wird dazu von einem Qualitätsrahmen, der sich aufs Engste am System Kita orientiert, an deren Qualitätsdimensionen, Strukturen und Prozessen zur Erfüllung des Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrags anknüpft. Gesundheit steht dabei als zu integrierendes intermediäres Ziel im Dienste der Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsqualität. Gesundheitsmaßnahmen sind also nicht als isolierte Einzelmaßnahmen und Zusatzaufgaben zu verstehen, sondern als integrierte Bestandteile im Vollzug der Entwicklung und ständigen Verbesserung des Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrages.


Es geht in Anlehnung an den Ansatz des Integrierten Managements (vgl. Seghezzi 2003) um die Verankerung von Gesundheit als Querschnittsaufgabe, die in allen Strukturen und Prozessen der Wertschöpfungskette von Bedeutung ist. Es sind die für alle Strukturen und Prozesse zur Entwicklung der Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsqualität relevanten Erkenntnisse der Gesundheitswissenschaften von zentraler Bedeutung. Dabei können auf einer strategischen Ebene zwei Perspektiven eingenommen werden:

 

  • die Perspektive »Gesundheit managen « sowie
  • die Perspektive »gesund managen«.

Ersteres meint, die Verankerung von Gesundheitsmaßnahmen in den Strukturen und Prozessen als Teilaufgabe, z.B. im Finanzmanagement durch Bereitstellung von Finanzen oder in der pädagogischen Konzeptentwicklung durch Berücksichtigung des Bildungsthemas Gesundheit. Zweiteres meint dagegen die Integration gesundheitsförderlichen Wissens und Handelns in die Arbeitsprozesse selber, z.B. gesunde Führung, Kita-Klima, gesunde pädagogische Prozesse. So kann z.B. ein allgemeines Stressmanagement für Erzieher/innen hilfreich auf deren allgemeines Wohlbefinden wirken, steht jedoch nicht in konkretem Zusammenhang mit der beruflichen Stresssituation und bedarf daher einer Adaption. D.h. mögliche Gesundheitsinterventionen müssen im System Gute Gesunde Kita immer aus der Perspektive der pädagogischen Qualitätsentwicklung heraus reflektiert werden. Die Frage der Guten Gesunden Kita ist: »Welchen Nutzen haben Gesundheitsinterventionen in der Organisation Kita nicht nur allgemein für die Gesundheit der Kita-Angehörigen, sondern in Koppelung mit ihrem Auftrag, also im Hinblick auf die Entwicklung und Verbesserung der Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsqualität? oder anders ausgedrückt »Wie können Gesundheitsmaßnahmen i.w.S. (z.B. auch Bereitstellung finanzieller Mittel für gesundheitsbezogene Fortbildungen) mit dazu beitragen, dass die Strukturen sowie die Arbeitsaufgaben, die sich auf der Ebene der Managementprozesse sowie aller Stütz- und Kernprozesse ergeben, erfolgreich i.S. der Stärkung der Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsziele unterstützt werden?« Die Gute Gesunde Kita lässt sich vor dem Hintergrund der Ausführungen wie folgt definieren.


Definition der Guten Gesunden Kita

Gute Gesunde Kita kann als ein System verstanden werden, das dem Referenzsystem der Kita kompatible Kommunikations- und Interaktionsangebote zur Verfügung stellt und dabei die soziale Wirklichkeit, hier die gesundheitliche Situation der Kinder und Mitarbeiter/innen im System Kita, berücksichtigt. Dazu richtet sich die Gute Gesunde Kita in seiner Entwicklung an den systemkonstituierenden Dimensionen der Organisation Kita aus und setzt zur Verwirklichung des Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrages der Organisation Kita auf der Struktur- und Prozessebene ausgewählte gesundheitsbezogene Maßnahmen ein. Ziel ist die nachhaltige Steigerung der Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsqualität und die Umsetzung der Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsaufgaben durch Förderung von Gesundheit effektiver und effizienter zu ermöglichen und dadurch sowohl die Lern- und Entwicklungschancen der Kinder als auch die Gesundheitschancen von Kindern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nachhaltig zu erhöhen.


Fazit

Mit dem Konzept K!GG und der Guten Gesunden Kita wurde als vorerst letzter Meilenstein der Gesundheitsförderung in pädagogischen Settings ein Paradigmenwechsel vorgenommen. Die Gute Gesunde Kita verknüpft die Qualitätsentwicklung in Kitas mit effektiven Strategien der Gesundheitsförderung.

Damit greift K!GG zwei gesellschaftlich relevante Themen auf: die Förderung des Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrages von früher Kindheit an sowie die Förderung der Gesundheit im Kindesalter und der pädagogischen Fachkräfte als zentrale Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsressource. Deren Verknüpfung kann als chancenreich sowohl für die nachhaltige Steigerung von Gesundheits- als auch Arbeit-, Lern- und Entwicklungspotenziale verstanden werden

 

 

 

Susanne M. Nagel-Prinz
Dipl.-Päd., Wissenschaftliche Mitarbeiterin,
Zentrum für Angewandte
Gesundheitswissenschaften (ZAG),
Leuphana Universität Lüneburg


Prof. Dr. Peter Paulus
Zentrum für Angewandte
Gesundheitswissenschaften (ZAG),
Leuphana Universität Lüneburg
 

 

Der Artikel ist erstmals in  "KiTa Spezial" (Ausgabe 03/10, S. 6-9) erschienen

und wird hier mit freundlicher Genehmigung von "Kita aktuell" publiziert

 

Qualitätsmodell Gesundheit

Zur Integration von Gesundheit in die Qualitätsentwicklung haben die AutorInnen auch ein Qualitätsmodell entwickelt. Einen ebenfalls erstmals in "Kita Spezial" (Ausgabe 03/10) erschienenen Beitrag dazu bieten wir Ihnen unten als Download an. Aktuelle Informationen und Weiterentwicklungen zum Thema finden Sie auf der K!GG-Homepage.

 



Verwandte Themen und Schlagworte