Kultur ist die Brille, durch die wir die Welt sehen

Inhaltsverzeichnis

  1. Zwei kulturelle Grundmodelle
  2. Kinderzeichnungen als kultureller Gradmesser
  3. Kultursensitive Sprachbildung und -förderung
  4. Fazit und Literaturtipps

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Zwei kulturelle Grundmodelle


Nachdrücklich fordert Heidi Keller daher, die Interkulturelle Kompetenz als unabdingbare Querschnittsaufgabe einer KiTa stärker in den Fokus der öffentlichen Diskussion zu rücken. Interkulturelle Kompetenz sieht sie dabei als eine zusammen hängende Trias aus „Wissen“, „Haltung“ und „Können“. Grundvoraussetzung dafür sei „sich der eigenen kulturellen Prägung bewusst zu werden, die fest verankerte kulturelle Brille einmal abzunehmen und die Welt mit anderen, offenen Augen zu betrachten.“ Im Laufe der langjährigen Forschungen von Heidi Keller in vielen Ländern der Welt haben sich zwei Prototypen kultureller Modelle herauskristallisiert:
 

•     Das Modell der „psychologischen Autonomie“

•     Das Modell der „hierarchischen Verbundenheit“

 
Wie die Entwicklungspsychologin erläutert, existieren diese Modelle nur noch selten in Reinform und kommen in den verschiedensten Abstufungen und Mischformen vor. Das Modell der psychologischen Autonomie ist dabei eher typisch für die westliche Mittelschicht in Europa und den USA, das Modell der hierarchischen Verbundenheit eher typisch für ländliche und subsistenzwirtschaftlich orientierte Bevölkerungsschichten in weiten Teilen Afrikas, Asiens oder Südamerikas.

Das Modell der psychologischen Autonomie rückt das selbstbestimmte und selbstständige Kind in den Mittelpunkt. Die innere und individuelle Welt des Kindes nimmt hier großen Raum ein und wird bewusst kultiviert. „Psychologische Autonomie“, so Heidi Keller, „bedeutet eine kindzentrierte Sichtweise, in der einerseits persönliche Unabhängigkeit und Eigenständigkeit, andererseits Selbstbestimmung und die Realisierung eigener Wünsche und Bedürfnisse zentrale Ankerpunkte sind.“ Von Anfang an wird das Kind von den Eltern so gleichsam auf „Augenhöhe“ angesprochen und in die familiäre Kommunikation eingebunden.

Das Modell der hierarchischen Verbundenheit rückt nicht das Kind als Individuum, sondern in seiner Einbettung in eine soziale Gemeinschaft in den Vordergrund. Heidi Keller führt hierzu aus: „In diesem Modell herrscht ein hierarchisches Generationenverhältnis und zentrale Werte sind die soziale Verantwortung, der Gehorsam den Eltern gegenüber und der Respekt vor Älteren.“ Im Mittelpunkt der Kommunikation steht hier folglich auch nicht die individuell auszuprägende Innenwelt des Kindes, sondern das Geschehen in der Gemeinschaft, in die sich das Kind einfügen soll.