Kissenlandschaft und Kissenwerkstatt

Ein Bewegungskonzept für den Krippenalltag

Inhaltsverzeichnis

  1. Projekt Kissen-Werkstatt
  2. Wirkfaktoren und Förderaspekte
  3. Bewegungs-, Wahrnehmungs- und Spielideen
  4. Literatur

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Wirkfaktoren und Förderaspekte: Wahrnehmen – Bewegen –Spielen – Lernen


In den ersten Lebensjahren eignet sich das Kind besonders über sensomotorische Aktivitäten fundamentale Erfahrungsschätze an, die für die weitere Entwicklung grundlegend sind.

Dabei spielen Körpererfahrungen eine wichtige Rolle beim Aufbau des Selbst, des eigenen Zutrauens und des Bildes, das jedes Kind allmählich von sich entwickelt (Zimmer 1998, 2001). Auch die Sprachentwicklung und die Motorik bauen aufeinander auf und differenzieren sich wechselseitig.

Auf den Kissenmaterialien können Krippenkinder altersentsprechend Bewegungen erproben, wiederholen und variieren wie das Krabbeln, Robben, Kriechen, Drehen, Rollen, Fallen, sich Fallenlassen und somit die Vorstufen des sicheren Stehens, Gehens und Laufens einüben. Entsprechend seinem jeweiligen Alter und Entwicklungsstand könnten sie auf der „Kissenlandschaft“ Herausforderungen suchen, sie eigenständig meistern und über Versuch und Irrtum Selbstwirksamkeit und Erfolgserlebnisse erfahren! Genau dies forderte schon die ungarische Kinderärztin Emmi Pikler: gebt  allen Kindern ihre  Entwicklungszeit, zieht und zerrt nicht an ihnen, gibt ihnen ein altersentsprechendes Umfeld, lasst sie in ihrem eigenen Tempo und individuellen Ausdruck initiativ werden! Dies würde die gesunde Entwicklung und Entfaltung des Kindes maßgeblich unterstützen..

Die materiale und farbliche (unifarben, gestreift, kariert…) Vielfalt der „Kissengestalten und -figuren“ erweitert die sinnliche Wahrnehmung, denn durch das Spielen mit und an den Kissenobjekten und den damit verbundenen Bewegungen werden besonders die Basissinne Haut-, Gleichgewichts- und der kinästhetische Sinn  (Ayers 1992) intensiv angeregt und sorgen für eine „ausgewogene Sinneskost“ in notwendiger Ergänzung und Ausgleich zu den sehr vielen Seh-  und Hörreizen der heutigen Kinder.

Indem die Kinder die Materialien dann selber tragen, schieben, ziehen, sich darunter/dazwischen verstecken, erfahren sie leibhaftig/ganzkörperlich physikalische Erscheinungen wie z.B. leicht, schwer, weich, hart, rund, eckig, kurz, lang. Jedes unterschiedlich gefüllte Kissen reagiert zudem anders auf Gewicht und Druck während des Spielens und erfordert eine ständige Neuanpassung des Gleichgewichts. Gleichzeitig kommt es zu einer Kräftigung der Gelenke, Muskel, Sehnen und Bänder.

Zum Ausruhen, Dösen, Träumen und Entspannen kann man die Kissen unter Einbezug verschieden dicker und großer Matratzen (die auch wiederum fantasievoll und variationsreich bezogen werden sollten) jederzeit zu einer „Massage- Schlaf- und Ruheinsel“ umwandeln; aber auch das Vorlesen und gemeinsame Singen kann darauf durchgeführt werden. Eine sinnvolle Dosierung zwischen Spannung und Entspannung, Aktivität und Ruhe ist spielerisch-ganzkörperlich möglich.

Als „räumlich-bauliche“ Variation lassen sich die Kissen und Matratzen auch schichten und türmen, z.B. liegt das Kind auf verschiedenen und aufgestapelten Matratzen und Kissen, die ErzieherIn/Mutter/Vater schaukelt es hin und her – auch das Umfallen/Hineinfallen auf/in weitere ringsherum liegende Kissen ist ein Spaß und völlig ungefährlich. Durch das Legen verschiedener Formen mittels der verschiedenen Kissen wie Außenkreis, Vollkreis, Innen- und Aussenkreis, Vierecke, verschiedene Inseln im Raum würden neue Raumwahrnehmungen und veränderte Spiel-, Bewegungs- und Wahrnehmungsdimensionen möglich. Bezüge zum eigenen Körper in Relation zum Raum wie z. B.: ich bin weit von Dir weg, ich liege höher/tiefer als du, das ist kleiner oder größer als ich, ergeben reizvolle und anregende sensorisch, motorisch, kognitive Inputs für das Kind. Das großräumige Spielen sollte zudem sooft es geht barfuß geschehen, da die Füße genau wie die Feinmotorik der Hände ihre „Füßigkeit“ und Geschicklichkeit durch aktives Tun und Fühlen erlangen und verfestigen. Zusätzlich zur muskelkräftigenden Wirkung enthält das Raue, Zarte und Zottelige der Materialien einen massageähnlichen „Wohlfühlfaktor“.

Sinnvolle und ergänzende  Materialien

Wenn die Kinder im Umgang mit den Kissen sicher und vertraut sind, kann das Materialangebot langsam erweitert werden, wozu sich weiche und weitere händelbare Gegenstände wie Matratzen, Decken, Stoffbälle, Schachteln und Kartons in unterschiedlichen Größen anbieten. Auch Quader aus Styropor (Baumarkt) und Schaumstoff in verschiedenen Größen und Stoffen bezogen eignen sich als sinnvolle Erweiterung und in der richtigen Größe können sie sogar Hocker ersetzen.

Eine „Massagekiste“ mit Haushalts- und Alltagsgeräten wie Pinsel, Malerrollen, Handfeger, Bürsten und Schwämme kann  sowohl als Spielobjekt als auch als Massagegerät auf der Kissenlandschaft eingesetzt werden. Die Hautstimulation hat sozusagen einen „nährenden“ Charakter für das Kind (Lebojer 1991, Anders/Weddemar 2002) und könnte ebenfalls gemeinsam mit den Eltern an einem Spielnachmittag erprobt und erfahren werden.

Als Tast- und Greifobjekte dienen sogenannte „Handkissen“, die auch wie die größeren „Bewegungskissen“ unterschiedliche Formen, Bezüge und Füllungen aufweisen und in relativ kurzer Zeit z. B. an einem Elternnachmittag in größerer Anzahl hergestellt werden könnten. In einer Spielkiste stehen sie dann den Krippenkindern zur Verfügung. Während der Herstellung der Handkissen in der Pilot-Krippe in Lingen stand eine Nähmaschine eine Zeit lang im Gruppenraum, was bei allen Kinder und auch den Eltern großes Interesse hervorrief. Sobald ein Kissen fertig war, helfen Sie mit es zu füllen um es im Anschluss daran neugierig im Spiel zu erproben. Die Eltern brachten Füllmaterial mit:: Knöpfe, Perlen, getrocknete Kerne, Kastanien usw.



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