Bindung und Begabungsentfaltung

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Erzieherinnen,  Eltern und Wissenschaftlerinnen stimmen darüber ein, dass die frühen ErzieherInnen-Kind(er)-Interaktionen im Kindergartenalltag für die Entwicklung der Kinder von großer Bedeutung sind. Das Bedürfnis zur Exploration – zur Erkundung und »geistigen Eroberung« der Umwelt – ist  esonders bei Kindern unter drei Jahren eng damit verbunden, dass eine vertraute Bezugsperson unmittelbar verfügbar ist, die ihnen Sicherheit vermittelt. In der Kita übernehmen ErzieherInnen diese wichtige Aufgabe. Im folgenden Text fassen wir den Forschungsstand zu ErzieherInnen-Kind-Bindungen im Zusammenhang mit dem kindlichen Explorationsverhalten zusammen und stellen dazu beispielhaft empirische Untersuchungen vor.

 

Bindungs-Explorations-Balance

In der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres beginnen Säuglinge, eine deutliche Bevorzugung ihrer primären Bezugspersonen zum Ausdruck zu bringen (Schaffer/Callender 1959). Auf Fremde reagieren sie hingegen zunehmend reserviert, bis hin zum Äußern der sogenannten Fremdenfurcht (Spitz 1950). Im Zuge dieser Entwicklung, die das Unbekannte mit Furcht verbindet, gewinnen primäre Bezugspersonen eine emotional unersetzliche Bedeutung für das Kind – man spricht von Bindungsbeziehungen (Bowlby 1969, 1973). Die Verhaltensorganisation des Kindes, das jetzt motorisch in der Lage ist, eigenständig seine Umwelt zu erkunden, ist auf die Nähe-Distanz-Regulation zu einer Bindungsperson als »Sicherheitsbasis « ausgerichtet (Ainsworth et al. 1978). Das naturgemäß Angst auslösende Unbekannte wird für das Kind erst dann zum Motor seiner Neugierde, wenn es sich durch die Verfügbarkeit einer Bindungsperson hinreichend sicher fühlt. Hierfür ist es notwendig, dass das Kind die Bindungsperson »unter Kontrolle« hat: Es muss in seiner Macht liegen, jederzeit körperliche Nähe zu ihr herstellen und aufrechterhalten zu können. Außerdem muss es sich des Schutzes durch ihre Aufmerksamkeit gewiss sein, d.h. seine Bindungsperson als psychisch präsent erleben. Je sicherer sich ein Kind auf dieser Basis fühlt, umso freier kann es seine Umgebung explorieren und sich dabei auch weiter von der Bindungsperson entfernen. Wird das Kind dabei durch unbekannte Umgebungsaspekte, eigene Missgeschicke oder andere Unannehmlichkeiten verunsichert, zeigt es »Bindungsverhalten«, indem es wieder eine größere körperliche Nähe zur Bindungsperson herstellt.

 
Bindung-Exploration


In der Bindungstheorie wird somit ein Zusammenhang zwischen dem Bindungs- und dem Explorationsverhalten angenommen: Ist das Bindungsverhaltenssystem aktiviert und zeigt das Kind Bindungsverhaltensweisen, dann ist das Explorationssystem nur vermindert oder nicht aktiv, d.h. das Kind exploriert nicht und umgekehrt. Die Bindungsforschung sieht die Funktion des Bindungsverhaltenssystems aus einer evolutions-biologischen Perspektive in der Gewährung von Sicherheit und Schutz im Angesicht existenzieller Bedrohungen, denen das Kind – auf sich allein gestellt – ausgeliefert wäre, wenn es seine Umwelt exploriert. Die antagonistische Beziehung zwischen Bindungs- und Explorationsverhalten, die für die frühpädagogische Begabungsforschung sehr wichtig ist, wird in Abbildung 1 (Bolten 2009) veranschaulicht.


 

Bindungssicherheit


Das empirische Paradigma der Bindungsforschung, das im Bereich der frühen Beziehungsentwicklung zentral ist, konzentriert sich auf Unterschiede in der Beziehungsqualität, die zwischen kleinen Kindern und ihren Bindungspersonen beobachtbar sind. Auf das Ausmaß der Bindungssicherheit eines Kindes wird aus seinem Verhalten nach kurzen Trennungen von einer primären Bezugsperson5 geschlossen (Ainsworth et al. 1978). In der sogenannten »fremden Situation« (Ainsworth/Wittig 1969) wird das Sicherheitsbedürfnis des Kindes in acht kurzen Episoden, die in einem ihm unvertrauten Spielzimmer stattfinden, durch den Kontakt mit einer ihm fremden Frau und durch zwei Trennungen von der Mutter zunehmend aktiviert. Entscheidend für die Diagnostik der Bindungssicherheit sind die Reaktionen des Kindes auf die Mutter, wenn sie nach den beiden Trennungen das Spielzimmer wieder betritt. Es wird angenommen, dass sich hier Erwartungshaltungen des Kindes offenbaren, die das Resultat früherer Interaktionserfahrungen sind. Ein »sicher« gebundenes Kind hat bislang erlebt, dass seine Mutter ihm zuverlässig Schutz und Nähe gewährt, wenn es Angst und Unsicherheit signalisiert. In der fremden Situation sucht das Kind nach der Trennung ohne zu zögern die Nähe der Mutter und wird durch den Kontakt mit ihr nachhaltig beruhigt, sodass es bald wieder explorieren kann. »Unsicher vermeidende« Kinder haben erfahren, dass ihre Mütter sie häufig nicht ernstnehmen, wenn sie sich ängstlich zeigen, oder sogar mit Zurückweisung auf sie reagieren. Sie wagen es daher nicht, ihr Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz offen und direkt auszudrücken. »Unsicher ambivalente« Kinder hingegen drücken ihre negativen Gefühle sehr intensiv aus, da sie ihre Bindungsperson als halbherzig und unbeständig erlebt haben.  Sie werden durch die Trennung meist aus der Fassung gebracht und sind durch den anschließenden Kontakt nicht nachhaltig zu beruhigen. In der fremden Situation sind neben diesen drei »klassischen« Bindungsmustern Anzeichen für traumatisierende Entwicklungsbedingungen bei den sogenannten »hoch unsicheren Bindungen« (Crittenden et al. 2007) oder beim »desorganisierten« Bindungsmuster (Main/Solomom 1986; Zulauf-Logoz 2008) identifizierbar.

Obwohl bei der Entstehung von Bindungsmustern auch Charakteristika des Kindes und der Passung zwischen Mutter und Kind eine wichtige Rolle spielen, wird der mütterlichen Feinfühligkeit eine entscheidende Bedeutung zugeschrieben. Als Feinfühligkeit wird das einfühlsame Reagieren auf kindliche Signale bezeichnet, das sowohl die Regulation der spezifischen Bedürfnisse des Kindes als auch die Anpassung an seine Besonderheiten beinhaltet (Grossmann et al. 1997). Der angenommene Zusammenhang zwischen der Interaktionsqualität mit der Mutter und der Bindungssicherheit zwischen Mutter und Kind kann auf der Basis von Metaanalysen der zahlreich vorhandenen Studien als empirisch gesichert gelten (de Wolff/van Ijzendoorn 1997). Auch bestätigen viele Untersuchungen die positive Bedeutung einer sicheren primären Bindung für die weitere sozio-emotionale Entwicklung von Kindern (Grossmann et al. 1997).

Damit Kleinkinder bei einer Fremdbetreuung angstfrei explorieren und somit ihre Begabungen entfalten können, ist es aus einer bindungstheoretischen Perspektive unerlässlich, dass ErzieherInnen die Rolle von Bindungspersonen übernehmen mit allen Anforderungen, die es an ihre physische und psychische Präsenz stellt, als »Sicherheitsbasis« zu fungieren. Damit das möglich ist, muss die psychologische Funktion der »Sicherheitsbasis« zuvor durch die primären Bindungspersonen auf eine ErzieherIn als »sekundäre « Bindungsperson(en) übertragen werden. Wie das beim Übergang in eine Kita praktisch geschehen kann, wird z.B. im Berliner Eingewöhnungsmodell beschrieben, das vielen pädagogischen Fachkräften bekannt ist (Laewen et al. 2003).

Die Frage, ob ErzieherInnen Kindern unter drei Jahren prinzipiell im selben Ausmaß Sicherheit vermitteln können, wie das primären Bezugspersonen möglich ist, kann anhand der derzeitig verfügbaren empirischen Studien kaum beantwortet werden. So gibt es Untersuchungen, die dies hinsichtlich der Alltagsrealität von KiTa-Kindern eher in Frage stellen: Zum einen wurden in Abhängigkeit von der Dauer außerfamiliärer Betreuung vermehrt vor allem aggressive Verhaltensauffälligkeiten festgestellt (NICHD Early Child Care Research Network 2003), zum anderen wurden auf der physiologischen Ebene (Tagesverlauf des Cortisolspiegels) Hinweise auf eine ungünstigere Stressverarbeitung gefunden (Watamura et al. 2003). Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die von Ahnert, Rickert und Lamb durchgeführte Beobachtungsstudie, in welcher der gesamte Tagesablauf von Kita-Kindern mit dem von hausbetreuten Kindern verglichen wurde (Ahnert et al. 2000; Ahnert 2003). Die Studie zeigt, dass Kita-Kinder im Vergleich zu hausbetreuten Kindern während ihres Aufenthaltes in der Kita weniger individuelle Zuwendung erfuhren. Dieser Mangel wurde jedoch von den Eltern der Kinder durch eine vermehrte Zuwendung im häuslichen Kontext, vor allem vor dem Schlafengehen, kompensiert. Auffällig war, dass Kita-Kinder während der Fremdbetreuung weniger quengelten als hausbetreute Kinder im selben Zeitraum, dafür aber umso mehr, wenn sie von ihren Eltern abgeholt wurden.

Trotz dieser eher kritischen Gesichtspunkte steht außer Frage, dass ErzieherInnen Funktionen einer Bindungsperson erfüllen können und müssen. In ihrem Sammelband »Die Erzieherin-Kind-Beziehung. Zentrum von Bildung und Erziehung« ermöglichen Becker-Stoll und Textor (2007) einen umfassenden Einblick in diese Thematik. Empirische Belege gehen u.a. aus Untersuchungen von Fox (1977), Cummings (1980) und Barnas/ Cummings (1994) hervor. Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang vor allem Studien, in denen Vergleiche zwischen Mutter-Kind- und ErzieherInnen-Kind-Bindungen vorgenommen wurden, wie z.B. von Fox (1977) und Cummings (1980). Wir werden auf diese Studien und auf die Ergebnisse einer Metaanalyse zur ErzieherInnen-Kind-Bindung, die Ahnert, Pinquart und Lamb 2006 vorgelegt haben, weiter unten näher eingehen.

Die Annahme, dass die Begabungsentfaltung von Kindern u.a. auch mit einer sicheren Erzieher/innen-Kind-Bindung zusammenhängt, wird vor allem durch Ergebnisse aus Untersuchungen gestützt, in denen das Interaktionsverhalten von Erzieherinnen im Umgang mit Kindern erfasst wurde. Alle groß angelegten und die meisten kleineren Studien zeigen, dass die Feinfühligkeit und die sensible Stimulation, die Kinder durch Erzieher/innen erfahren – genau wie entsprechende Erfahrungen im häuslichen Kontext – langfristig positive Auswirkungen haben, und zwar nicht nur auf die sozio-emotionale sondern auch auf die kognitive Entwicklung (siehe z.B. Hirsh-Pasek, Burchinal 2006).

Als ein Instrument zur Erfassung der Interaktionsqualität bzw. der Sensitivität von Betreuungspersonen im Umgang mit Kindern sei beispielhaft die Caregiver Interaction Scale (CIS) mit einem Item pro Subskala kurz beschrieben (Arnett 1989):

• Sensitivität der Fachkraft, z.B. sie spricht warmherzig mit den Kindern

• Strenge/Härte (harshness) der Fachkraft, z.B. sie ist kritisch zu den Kindern

• Distanziertheit, z.B. sie scheint sich nicht für die Aktivitäten der Kinder zu interessieren

• Gewähren von Freiheit (Permissivness), z.B. sie weist die Kinder nicht zurecht, wenn sie sich schlecht verhalten.

Die Einschätzung der Fachkräfte mit den Items der CIS wird nach einer Vier-Punkte-Skala hinsichtlich des Zutreffens des jeweiligen Items vorgenommen.

 

Beispiele empirischer Untersuchungen zur ErzieherIn-Kind-Beziehung


Studien zur ErzieherIn als Bindungsperson

Wie bereits erwähnt, wurde in verschiedenen Studien gezeigt, dass ErzieherInnen Funktionen einer Bindungsperson erfüllen können (z. B. Fox 1977, Cummings 1980 und Barna/Cummings 1994). In den Studien von Cummings (1980) und Barna/Cummings (1994) wurden die Auswirkungen von personeller Stabilität auf bindungsrelevante Verhaltensweisen von elf bis 28 Monate alten Kindern untersucht. Im Kita-Alltag zeigten die Kinder gegenüber den ErzieherInnen Bindungsverhalten – z.B. in Form von Nähe- und Kontaktsuchen, Rufen und Nachfolgen – sowohl in Belastungssituationen als auch in nicht-stressigen Episoden. Dabei wurden stabile gegenüber nicht-stabilen Betreuungspersonen von den Kindern bevorzugt. Stabile Betreuungspersonen waren auch effektiver darin, die Kinder zu beruhigen. Es schien, als ob die Kinder in der Umgebung der Tagesbetreuungseinrichtung die stabilen nichtelterlichen Betreuungs-personen als Ersatz für die Mutter akzeptierten (Cummings 1980: 36).

In einer den Kindern unvertrauten Laborsituation zeigten sie jedoch bei Anwesenheit einer fremden Person sehr viel deutlicheres Bindungsverhalten gegenüber der Mutter als gegenüber stabilen und nicht-stabilen nichtelterlichen Betreuungspersonen. Das zeigt, dass für die meisten Kinder im Vergleich zu nichtelterlichen Betreuungspersonen die Mutter die bedeutsamere Bindungsperson darstellt (ebd.). In Situationen mit einer nichtelterlichen Betreuungsperson und einer fremden Person suchten die Kinder mit höherer Wahrscheinlichkeit die Nähe der nichtelterlichen Betreuungsperson auf (ebd.). Daraus geht hervor, dass auch die nichtelterlichen Betreuungspersonen als »sichere Basis« fungieren können (ebd.).

Ähnliches zeigte sich in einer Studie von Fox mit israelischen Kibbutz-Kindern (Fox 1977: 1234), wobei hier jedoch die Hauptbetreuung schon im ersten Lebensjahr außerfamiliär erfolgte. Die Betreuerinnen (Metapelet) stellten somit primäre Bindungspersonen für die Kinder dar. In der Studie von Fox konnten vermutlich deshalb im Protestverhalten der Kinder bei der Trennung von Mutter und Metapelet keine Unterschiede festgestellt werden. Allerdings zeigten sich Unterschiede im Verhalten der Kinder in Wiedervereinigungssituationen, die deutlich machten, dass die Kinder mehr an ihre Mütter gebunden waren als an ihre ErzieherInnen (ebd.). In der Wiedervereinigungssituation mit ihren Müttern weinten sie weniger als bei der derjenigen mit ihren ErzieherInnen (ebd. Tabelle S. 1233).

Ahnert et al. führten zum Vergleich der Sicherheit von Mutter-Kind und ErzieherIn-Kind- Bindungen eine Metaanalyse von 40 internationalen Studien durch (Ahnert et al. 2006), in der die Daten von 2867 Kindern im Durchschnittsalter von 30 Monaten, die sich in außerfamiliärer Kinderbetreuung befanden, einflossen. Die Kinder hatten je nach der eingesetzten Erfassungsmethode – dem oben beschriebenen Fremde-Situationen-Test oder dem Attachment Q-Set (AQS) 6 nach Waters und Deane (Waters, Deane 1985; Waters 1995) – entweder (1) häufiger sichere Bindungen zu ihren Eltern als zu ErzieherInnen (fremde Situation) oder (2) sichere Bindungen waren gleich häufig (AQS). Sichere Bindungen waren häufiger bei der Betreuung durch Tagesmütter als im Kita-Kontext. Außerdem hatten Kinder, die schon längere Zeit in einem Betreuungskontext waren, eher sichere Bindungen zu ihren ErzieherInnen. Auch Geschlechtsunterschiede wurden deutlich: Mädchen hatten häufiger sichere ErzieherInnen- Bindungen als Jungen. Anders als in kleinen Kindergruppen, die im häuslichen Kontext fremdbetreut wurden, konnte die Bindungssicherheit zur ErzieherIn in größeren Kindergruppen besser durch die »gruppenbezogene Feinfühligkeit« der ErzieherIn vorhergesagt werden, als durch Verhaltensmaße, die auf den Umgang der ErzieherIn mit einzelnen Kindern bezogen waren. Nach dieser Metaanalyse kann man sagen, dass sichere ErzieherInnen-Kind-Bindungen eher in jenen Kindergruppen entstehen, in denen die Gruppenatmosphäre durch ein empathisches ErzieherInnenverhalten bestimmt wird, das gruppenbezogen ausgerichtet ist, d.h., das die Dynamik in der Gruppe reguliert (Ahnert 2007: 35) und das gleichzeitig die wichtigsten sozialen Bedürfnisse eines jeden einzelnen Kindes zum richtigen Zeitpunkt erfüllt (Ahnert 2006; Ahnert 2008: 268).


Studie zur Bindungs-Explorations-Balance im Kindergarten

In einer Studie von Anderson et al. wurde das Bindungs- und das Explorationsverhalten von 35 Kindern im Alter zwischen 19 und 42 Monaten mit mehreren ErzieherInnen aus mehreren Kinderbetreuungsinstitutionen im Rahmen des klassischen Tests »fremde Situation« untersucht (Anderson et al. 1981). Die Studie zeigte deutliche Unterschiede im Bindungsverhalten (z.B. im Kontaktsuchen und in der Distanzinteraktion) und im Explorationsverhalten der Kinder in Abhängigkeit von ihren Beziehungserfahrungen mit ihren ErzieherInnen (ebd.: 53) im KiTa-Alltag. Kinder, deren ErzieherInnen sich stärker für die Beziehung engagierten, zeigten diesen gegenüber in der fremden Situation häufiger Bindungsverhalten und explorierten in der Anwesenheit ihrer ErzieherInnen deutlich mehr als Kinder, deren ErzieherInnen sich im Alltag weniger um sie bemühten (Anderson et al. 1981: 53). Kinder mit weniger beziehungsengagierten ErzieherInnen suchten während der Präsenz der ErzieherInnen häufiger Kontakt zu der fremden Person und interagierten häufiger mit ihr als mit der anwesenden ErzieherIn (ebd.: 53). Nur Kinder mit engagierten ErzieherInnen interagierten mit diesen häufiger als mit der fremden Person (ebd.: 59). Die Autoren schlussfolgerten, dass die Kinder mit stark in die Beziehung involvierten ErzieherInnen besser in der Lage waren, diese als sichere Basis für ihre Umwelt-Exploration zu nutzen als Kinder mit weniger involvierten ErzieherInnen (Anderson et al. 1981: 59).

 

Studien zum Einfluss der ErzieherIn-Kind-Beziehung auf die Entwicklung der Kinder

Aus einer Studie von Howes et al. (1994) geht hervor, dass Kinder im Alter von vier Jahren, die sich in einer sicheren ErzieherIn-Kind-Beziehung befanden, als feinfühliger bzw. sensibler, empathischer und geselliger im Kontakt mit vertrauten Peers eingeschätzt wurden, dass sie in komplexeren Spielen mit vertrauten und weniger vertrauten Kindern eingebunden waren, dass sie in Soziogrammen von nicht vertrauten Peers positiver eingeschätzt wurden und dass sie sich als lernfähiger in Bezug auf die Selbstkontrolle zeigten als Kinder, die sich in einer unsicheren, vermeidenden oder ambivalenten Beziehung zur ErzieherIn befanden (ebd.: 272). Da die ErzieherInnen die Rahmenbedingungen und die Abläufe für Peerkontakte in der Kinderbetreuungseinrichtung zu großen Teilen bestimmen, ist zu ermuten, dass die Kinder ihre Beziehung zu ihrer ErzieherIn als Basis dafür nutzen, um die Peer-Interaktionen für sich zu entdecken (zu explorieren!) und um sich an den Peer-Interaktionen in der Einrichtung zu orientieren (ebd.: 272).

Eine dreijährige Längsschnittstudie von Howes et al., die mit Kindern im Alter zwischen 13 und 24 Monaten begann, erbrachte außerdem das Ergebnis, dass eine sichere ErzieherIn-Kind-Beziehung positiv mit den folgenden drei Dimensionen kompetenten Peer-Verhaltens im Alter von vier Jahren korrelierte: positives Sozialverhalten, Geselligkeit bzw. Kontaktfreudigkeit sowie mit komplexeren Spielen mit Gleichaltrigen (Howes et al. 1994a: 257). Umgekehrt muss festgestellt werden, dass Kinder in unsicheren ErzieherIn-Kind-Beziehungen häufiger (als sicher an die ErzieherIn gebundene Kinder) unvorteilhafteres Peer-Verhalten zeigten, wie z.B. Aggressivität und Verschlossenheit (ebd.).

In einer anderen Längsschnittstudie von Peisner-Feinberg und KollegInnen zur Qualität der vorschulischen Kinderbetreuung und ihren Auswirkungen auf die kognitive und soziale Entwicklung wurden 733 Kinder im Alter von vier bis acht Jahren über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg untersucht (Peisner-Feinberg et al. 2001: 1537). Die Resultate dieser Studie zeigen, dass eine höhere Qualität der Kinderbetreuung und eine von den ErzieherInnen als positiver eingeschätzte Beziehung in der Vorschulzeit sowohl kognitive als auch soziale Fähigkeiten der Kinder in der zweiten Grundschulklasse vorhersagen können (ebd.: 1551). Langfristige Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung zeigten sich z.B. in besseren mathematischen Fähigkeiten, wenn die Kinder eine qualitativ bessere Kinderbetreuung erlebt hatten. Wenn die ErzieherInnen die Beziehung zum Kind als enger bewertet hatten, so berichteten die Lehrer später in der zweiten Klasse von weniger Verhaltensauffälligkeiten. Aus der Studie geht außerdem hervor, dass Kinder, deren ErzieherInnen die ErzieherIn-Kind-Beziehung als eng bewertet hatten, dazu tendierten, (1) höhere Werte bei Sprachtests zu erreichen (ebd.: 1544), (2) bessere kognitive Fähigkeiten zeigten und dass (3) ihre Aufmerksamkeit als besser eingeschätzt wurde, wobei diese Korrelation im Verlauf der fünfjährigen Untersuchungszeit geringer wurde, aber trotzdem immer noch im zweiten Schuljahr statistisch signifikant war (ebd.: 1546), und dass sie (4) weniger Problemverhalten zeigten, wobei auch diese Korrelation mit der Zeit immer weiter abnahm (ebd.: 1546). Die Autoren zogen aus diesen Ergebnissen die Schlussfolgerung, dass Kinder in ihren frühen positiven Beziehungen mit nichtelterlichen Betreuungspersonen Interaktionsmuster erlernen, die sie zu Beziehungen mit zukünftigen Betreuungspersonen oder mit Lehrkräften befähigen (ebd.). Sie lernen in diesen frühen Beziehungen auch zu lernen und die in diesen Betreuungskontexten erworbenen Lernerfahrungen für ihre zukünftige Entwicklung zu nutzen (ebd.).

 

Resümee


Mit einem Fokus auf den Ergebnissen empirischer Studien sollte in diesem Beitrag gezeigt werden, welche Bedeutung die ErzieherIn-Kind-Beziehung im Elementarbereich in der Form einer sekundären Bindung für die Entwicklung von Kindern hat. Während diese Bedeutung kaum bestritten werden kann, stellt sich nicht nur für PraktikerInnen, sondern auch nach wie vor für die wissenschaftliche Forschung die Frage, unter welchen konkreten Rahmenbedingungen ErzieherInnen jüngeren Kindern hinreichend Sicherheit vermitteln können und welche konkreten Interaktionsprozesse es sind, die sichere ErzieherInnen-Kind-Bindungen und kindliches Explorieren fördern.



Literatur
































 
Hinweis:

Der Artikel wurde mit freundlicher Genehmigung des Herder-Verlags dem in der nifbe-Schriftenreihe erschienenen Buch "Bildung braucht Beziehung. Selbstkompetenz stärken - Begabungen entfalten.  Freiburg: Herder (2011) entnommen.




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