Individuelle Förderung und Selbstkompetenz-Entwicklung

Inhaltsverzeichnis

  1. Potenziale und Kompetenzen
  2. Individuelle (Früh-)Förderung
  3. Ressourcenorientierung
  4. Kultur der Anerkennung
  5. Fazit
  6. Literatur

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Von ressourcenorientiertem pädagogischem Denken ausgehen und Verschiedenheit anerkennen


In der nifbe-Forschungsstelle Begabungsförderung wird derzeit die Praxis individueller Förderung in Kita und Grundschule erforscht. Die Ergebnisse der ersten Studie zeigen, dass individuelle Förderung in dem von uns definierten Sinne in Kindertagesstätten einen wichtigen Stellenwert einnimmt (Behrensen/Sauerhering/Solzbacher/Warnecke 2011). Das Handeln von ErzieherInnen orientiert sich entscheidend daran, die Entwicklung und das Lernen jedes einzelnen Kindes in seiner individuellen Art und seinem eigenen Tempo zu unterstützen. Den ErzieherInnen ist bewusst, dass es hierfür maßgeblich auf eine gelungene Beziehung zum Kind ankommt. Erkennbar ist auch, dass sie mit ihrer professionellen Sicht auf die einzelnen Kinder deren jeweiligen individuellen Entwicklungsverlauf differenziert betrachten können. Dies gilt insbesondere für die Frage, wie die Fähigkeiten der einzelnen Kinder eingeschätzt werden. Erkennbar ist der verbreitete Wunsch, die Kinder nicht entlang ihrer Defizite zu betrachten, sondern von ihren Ressourcen auszugehen.

Im Widerspruch zu dem von ErzieherInnen geäußerten Wunsch, ressourcenorientiert zu denken und zu handeln, steht der empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden.e Befund, dass eher defizitorientierte als ressourcenorientierte Beobachtungsinstrumente eingesetzt werden. Das kann daran liegen, dass ressourcenorientierte Beobachtungsverfahren (wie Bildungs- und Lerngeschichten oder die Leuvener Engagiertheitsskala) deutlich weniger vorhanden und zumeist aufwendiger in der Handhabung sind als defizitorientierte Verfahren (wie viele standardisierte Beobachtungsbögen). In Schulen sieht der Befund ähnlich aus, wenn diese überhaupt (systematische) Beobachtungsverfahren einsetzen. Zugleich hat der Blick auf die Defizite der Kinder in Kitas ebenso wie in Schulen eine lange Tradition. Für individuelle Begabungsförderung wäre es wichtig, noch einen Schritt weiterzugehen, und sich von der Diskussion um Defizitorientierung versus Ressourcenorientierung zu verabschieden und sich stattdessen der Anerkennung von Verschiedenheit zu widmen. Dieser Blickwechsel würde es ermöglichen, den individuellen Entwicklungsprozess des Kindes in den Blick zu nehmen. Die für Kind, Eltern und PädagogIn häufig belastende Orientierung an einem idealtypischen Entwicklungsverlauf könnte aufgegeben werden. Zugleich könnten Entwicklungsherausforderungen kontextualisiert betrachtet und berücksichtigt werden, wie das oben dargestellte Münchner Begabungsmodell es nahelegt. Damit wird es dann auch möglicherweise leichter, individuelle Entwicklungsverläufe in den Blick zu nehmen und Förderpläne unter Berücksichtigung der Stärkung der Persönlichkeitsmerkmale zu konzipieren, damit Kinder ihre Begabungspotenziale voll zur Entfaltung bringen können. Geringe Selbstkompetenzen als Ursachen für eine eingeschränkte oder nicht begabungsgerechte Leistungsentfaltung mitzudenken, kann demnach als pädagogische Herausforderung betrachtet werden und sollte von ErzieherInnen und LehrerInnen als Teil des pädagogischen Auftrags betrachtet werden, sofern das noch nicht der Fall ist.