Inklusion und Chancen-Gerechtigkeit

Diversity und Verschiedenheit in der Elementarpädagogik

Inhaltsverzeichnis

  1. Orientierung an Norm(wert)en
  2. Intersektionalität: Alles wirkt miteinander
  3. Doing difference – institutionalisierte Benachteiligung
  4. Reflexion von Vielfalt
  5. Das Fremde und das Eigene
  6. Literatur

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Orientierung an Norm(wert)en

»Für viele Menschen definiert sich Heterogenität … als Streuung um oder als Differenz zu einer unterstellten ›Norm‹. Viele betrachten zum Beispiel als normal, … was häufig ist. Andere nehmen … den Mittelwert der sogenannten Normalverteilung, auch wenn er vielleicht nur eine Minderheit darstellt. Für wieder andere ist normal, wer normgerecht ist, wer vorgegebenen Ansprüchen genügt. … In allen …  Sichtweisen bedeutet:

  • Heterogenität ›Abweichung‹ von einer Norm
  • Integration Einbeziehung des ›Andersartigen‹
  • Differenzierung ›Sonderbehandlung‹ gegenüber der Normalgruppe.
 
Verstehen wir aber unter ›Normalität‹, dass jeder Mensch einzigartig (und indiesem Sinne ›immer anders‹) ist, dann bedeutet:

  • Heterogenität schlicht ›Unterschiedlichkeit‹
  • Integration ›Gemeinsamkeit‹
  • Differenzierung Raum für die ›Individualität‹ aller« (Brügelmann 2002, S. 31f.).

Wir stoßen hier auf diverse Begriffe, die die Debatte um Vielfalt und Verschiedenheit prägen: andersartig, Mittelwert, Unterschiedlichkeit und das ewig lebendige Paar »Norm« und »Abweichung«. Die Auseinandersetzung mit Kindheit war und ist oft geprägt von dem Wunsch nach klarer Identifizier und Zuordbarkeit sowie Orientierung an einer festgelegten »Normalität« – ein Versuch der Standardisierung kindlicher Entwicklung, der unter anderem dazu führt, dass Kinder immer häufiger als zu fördernde oder gar gefährdete Menschen wahrgenommen werden (vgl. Kelle/Tervooren 2008). Aber wie individuell kann Förderung geschehen, wenn wir uns an einer Skala und einem (vermeintlich objektiven) Mittelwert orientieren? Wie individuell lassen wir Kinder sein, wenn wir sie nach Rastern beurteilen und aufgrund derer einer bestimmten Entwicklungs-, Lern- bzw. Leistungsgruppe zuordnen? Aus welcher Berechtigung heraus definieren wir Normen und deren Abweichung?

»… Aus empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden. feststellbaren Durchschnittswerten werden in der Aufmerksamkeit der Erzieherin Normen, an denen die Entwicklung von Kindern gemessen wird. Der Blick auf Kinder verschiebt sich: Nicht mehr das Interesse an der Individualität der Kinder steht im Vordergrund, sondern die Fixierung auf Abweichungen von Entwicklungsnormen. Die elementarpädagogische Arbeit verlagert sich von der schwerpunktmäßigen Förderung individueller Interessen und Kompetenzen, die über das Lernen am Modell auch auf andere Kinder ausstrahlen können, zu einer kompensatorischen Bearbeitung von Defiziten…« (Knauf 2009).

Die Fokussierung auf Normalität, Abweichungen und Defizite ist, neben Stereotypisierung und drohender Stigmatisierung, insofern auch problematisch, als Diagnostik in der Pädagogik anders verläuft als zum Beispiel im medizinischen Bereich – in der Pädagogik kann es kein Patentrezept geben, gerade mit Blick auf eine wirklich individuelle Unterstützung des jeweiligen Kindes. Und ausschlaggebend ist noch immer, dass PädagogInnen nicht »Defekte « diagnostizieren, sondern vor allem Stärken wahrnehmen sollten. Ressourcenorientierung ist das Schlüsselwort, auch wenn die Realität momentan leider noch davon abweichen mag. Differenzkonstruktionen – die Herstellung vermeintlicher Unterschiedlichkeiten –, die, wie das Wort schon sagt, »konstruiert« sind, sind nicht »nur« Ordnungs- und Zuweisungskategorie, um gesellschaftliche Gefüge überschaubar und fassbar zu machen. Das damit einhergehende Prinzip der Grunddualismen (z.B. »männlich – weiblich«) stellt in seiner Polarisierung – dem Ansinnen, zwei gegensätzliche Positionen festzulegen – eine konstruierte Ungleichheit her. Hier geht es schnell um (Be-/Ab-)Wertungen. Diese Ungleichheit schlägt sich in dem Moment, in dem eine Abweichung vom Normalitätskonstrukt von außen festgemacht wird, nachgewiesenermaßen auf Bildungserfolg und die Möglichkeit der gleichberechtigten Teilhabe nieder: »… Komplementarität beruht nicht nur auf Ungleichartigkeit, sondern bedeutet auch Ungleichwertigkeit und Hierarchie …« (Klinger, zit. nach Lutz/Wenning 2001, S. 17).

 


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