Musik, Malen und die kindliche Entwicklung

Die Auswirkung gemeinsamer musikalischer und bildnerischer Frühförderung auf die Entwicklung sozialer, emotionaler und kognitiver Fähigkeiten

Projektbeschreibung:

Für den Erwerb und die neurobiologische Verankerung psychosozialer, affektiver und kognitiver, insbesondere sprachlicher Fähigkeiten sind Kinder auf Erfahrungen in der lebendigen Interaktion mit anderen Menschen angewiesen. Die Aneignung dieser Kompetenzen wird in allen menschlichen Kulturen durch transgenerational weitergegebene Kulturtechniken, wie z.B. Musizieren, Malen, Modellieren, Gestalten, Tanz und Spiel, unterstützt - dabei werden eigene Erfahrungen transformiert und in einem anderen Medium repräsentiert. Diese genannten Kulturtechniken können somit als Paradebeispiele für die humane EnkulturationEnkulturation|||||Unter Enkulturation versteht man  das automatische Verinnerlichen und Hereinwachsen in die eigene Kultur. Dies beginnt als Sozialisationsprozess vom neugeborenen Säugling zum kulturell integrierten Erwachsenen. gelten. Neuere kulturanthropologische und entwicklungspsychologische Arbeiten betonen die prägende Bedeutung solcher Techniken für die Gehirn- und Persönlichkeitsentwicklung. Bei 6-12-jährigen verbessern sich beispielsweise durch aktives Musizieren in der Gruppe sprachliche Aufmerksamkeitsleistungen ebenso wie soziale Kompetenzen. Weitere Arbeitsgruppen fanden dabei deutliche Verbesserungen in Bezug auf kooperatives Verhalten, Klassenklima, Lernmotivation und emotionale Befindlichkeit. 5-jährige, die auf einem Keybord spielten, erkannten emotionale Färbungen in sprachlichen Äußerungen und Tonfolgen sicherer als Kinder ohne musikalisches Training. Auch die Voraussetzungen für Schreib- und Lesefähigkeit lassen sich schon bei 4-5-jährigen Kindergartenkindern mit schwachem sozioökonomischen Hintergrund durch eine halbstündige Musikintervention pro Woche über ein halbes Jahr nachweislich verbessern. Die Erkennung von sprachlich-logischen Fehlern bzw. Syntaxverletzungen in Musik und Sprache fällt Kindern mit musikalischen Training leichter als Kindern ohne musikalisches Training. Allgemein ist also zu erwarten, dass musikalische und malerische Frühförderung viele Transfereffekte auf kognitive und psychosoziale Funktionen hat, die im Rahmen dieser Studie bei Kindergartenkindern auf der Ebene der Hirn- und Verhaltensentwicklung erfasst und nachgewiesen werden sollen. Für das Projekt ist eine zweijährige Längsschnittuntersuchung (mit zusätzlichen 3 Monaten Vor- und Nachbereitung zur Messung von Langzeiteffekten) mit sozial benachteiligten Kindergartenkindern (Migranten und deutsche Kinder aus verdichteter sozialer Problemlage) im Alter von 3 bis 5 Jahren geplant. Gerade im frühen Kindesalter ist die Förderung durch ein ausgeprägtes, kindgerechtes Erfahrungsangebot wichtig und effektiv, da frühkindliche Gehirne bis zu 5 Jahren die größte neuronale Plastizität zeigen. Deswegen setzt dieses Projekt nicht erst in der Grundschule an ("Jedem Kind sein Instrument"), sondern schon im Alter von 3 Jahren, idealerweise bis zur Einschulung. Dieses Projekt soll exemplarisch zunächst in Frankfurt gut kontrolliert und umfangreich halbjährlich evaluiert werden, um bei Erfolg dann die Grundlage für eine ausgeweitete Implementierung zu bilden. Der aktuelle hessische Bildungsplan (Stand: Dezember 2007) betont die Bedeutung von Malen und Musizieren im frühen Kindesalter. So stärkt eine musische Frühbildung die kulturelle Einbettung des Kindes, indem es die musikalisch-ästhetische und malerisch-bildende Tradition seines Kulturkreises kennen lernt. Über den frühen Umgang mit Musik und Malerei wird auch die erste Anbindung an die kulturelle und soziale Praxis ermöglicht und eingeübt. Gleichzeitig entsteht hierdurch eine Basis für (inter-)kulturelle Begegnung, Verständigung, Integration und Pflege der Tradition. Durch die Fokussierung auf sozial schwach gestellte Familien, insbesondere Migrantenfamilien, kommt diesem Forschungsprojekt eine hohe gesellschaftliche Bedeutung zu. Die gezielte musikalische und malerisch-gestalterische Frühförderung in der Gemeinschaft wird auch zeigen können, wie wichtig diese bei Kindern sozial schwacher Eltern ist. So sind die Defizite bei diesen Kindern ohne gezielte Förderung schwer zu kompensieren; 60 % der Kinder aus dieser Umgebung gelten nach Ablauf der Kindergartenzeit als nicht schulfähig. Die große Chance, die dieses Projekt bietet, ist über einen direkten Effekt bei den Kindern hinaus, einen wissenschaftliche Nachweis der Effektivität ästhetischer Frühförderung auf die emotionale, kognitive und psychomotorische Entwicklung führen zu können und gleichzeitig einen Beitrag zur kulturelle Integration leisten zu können .

Projektdetails

Projektart:Forschungsprojekte
Laufzeit:01.06.2009 - 31.05.2011
Straße:Waldweg 37
Ort:37073 Göttingen

Ansprechpartner

Name: Prof. Dr. hum. biol. Nicole von Steinbüchel
Email: nvsteinbuechel@med-uni-goettingen.de
Telefon: 0551-398192