Familienmodelle und Reproduktionsstrategien: Familien- und Berufsplanung von Studierenden

Projektbeschreibung:


Projekt der Forschungsstelle Entwicklung, Lernen und Kultur des nifbe

 

Projektleitung:

 

Projektmitarbeiter:

 

 

Hintergrund und Fragestellung

Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland seit Ende der 1960er Jahre ist gekennzeichnet von einem relativ konstanten Rückgang der Geburtenzahlen. Lediglich in den 1990er Jahren wurden mehr Kinder geboren, was allerdings vor allem dadurch erklärt werden kann, dass es in diesem Zeitraum mehr Frauen im gebärfähigen Alter gab. Für das Jahr 2007 war erstmals wieder eine Zunahme der Geburtenrate um 1,8% zu verzeichnen, jedoch überstieg die Zahl der Sterbefälle immer noch die Zahl der Lebendgeburten, so dass weiterhin ein Bevölkerungsrückgang in Deutschland resultiert, der auch nicht durch Zuwanderungsbewegungen ausgeglichen wird. Besonders gravierend ist außerdem, dass insbesondere Frauen mit hohem Bildungsstand sich gegen Kinder entscheiden, wovon die alten Bundesländer stärker betroffen sind als die neuen.


Die Rolle unterschiedlicher Herkunftskontexte, gemeinsam mit demografischen Merkmalen, können als wichtige Determinanten für die persönliche Familien- und Berufsplanung angesehen werden. Sowohl in den strukturellen Gegebenheiten als auch auf ideologischer Ebene im Bereich elterlicher Rollen, Kinderbetreuung, etc. sind Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern, wenn auch im Wandel, nach wie vor gegenwärtig.


In dem beschriebenen Projekt wurde daher die Frage untersucht, welche Vorstellungen und Meinungen Studierende mit unterschiedlichen Sozialisationskontexten bezüglich der eigenen Familiengründung, Kindererziehung sowie Berufsplanung haben und welche Faktoren dabei von ihnen berücksichtigt werden.


Ziel ist die Erfassung und Beschreibung der momentanen „Stimmungslage“ Studierender hinsichtlich der sich Ihnen stellenden Lebensaufgaben von Familiengründung und Eintritt in die Arbeitswelt.

 

Untersuchungsdesign / Ansatz

Mit der Unterstützung von Studierenden vor Ort wurden in verschiedenen Städten Ost- und Westdeutschlands Studierende für die Teilnahme an der Fragebogenuntersuchung gewonnen.


Der 12-seitige Fragebogen kombiniert sowohl offene als auch geschlossene Fragen zum Thema Familien- und Berufsplanung sowie zur kulturellen Orientierung und zum demographischen Hintergrund der Teilnehmer/-innen. Es werden beispielsweise erfasst:

  • Familienzusammensetzung der Ursprungsfamilie (Eltern & Geschwister)
  • Sozialisationskontext in den ersten sechs Lebensjahren (Wohngegebenheiten, wichtige Lebensereignisse, Beziehungen zu Mutter/Vater/Geschwistern/anderen Bezugspersonen, ...)
  • Einflussfaktoren auf Familien- und Berufsplanung
  • Kulturelle Orientierung (Autonomie und Relationalität)
  • Kulturelle Orientierung bezüglich kindlicher Sozialisationsziele
  • Wunschalter für das erste Kind, gewünschte Anzahl von Kindern, gewünschter Geburtsabstand

 

Stand der Erhebung / Auswertung

Datenerhebung und -eingabe wurde im November 2008 abgeschlossen. Für die Auswertung der offenen Fragen des Erhebungsbogens wurde ausgehend von den empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden.en Daten ein Kategoriensystem erstellt, das die Einordnung der Antworten sowie eine Quantifizierung der genannten Aspekte erlaubt. Nach der Bestimmung der Interrater-Reliabilität, für die ein Teil der Fragebögen von zwei Kodierern ausgewertet wurden, erfolgte die vollständige Analyse des Datensatzes. Die Ergebnisse aus dem Bereich der offenen Fragen wurde gemeinsam mit den Angaben der geschlossenen Fragen weiteren Analysen zugeführt.

 

Ergebnisse

Es haben insgesamt 326 Studierende teilgenommen, davon 221 Frauen. Das durchschnittliche Alter beträgt 23,7 Jahre. Die Zuordnung zu unterschiedlichen Sozialisationskontexten (hier definiert über den hauptsächlichen Wohnort während der ersten sechs Lebensjahre) verteilt sich wie folgt:

  1. alte Bundesländer: N = 170 (108 Frauen)
  2. neue Bundesländer: N = 129 (94 Frauen)
  3. Berlin: N = 7 (5 Frauen)
  4. Ausland: N = 19 (13 Frauen)
     

Für die Analysen des Einflusses des Sozialisationskontextes auf Familien- und Berufsplanung wurden nur die Personen der ersten beiden Gruppen einbezogen.

Es zeigen sich keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der kulturellen Orientierung, sowohl bei der persönlichen als auch bei der entwicklungszielbezogenen Skala. Beide Subskalen der kindlichen Entwicklungsziele (Relationalität- bzw. Autonomie-betonende Ziele) werden von den Gruppen annähernd gleich wichtig bewertet, während im individuellen Autonomie-Relationalitäts-Inventar eine Präferenz autonomautonom|||||Autonomes Handeln beinhaltet den Zustand der Selbstständigkeit, Unabhängigkeit Selbstbestimmung, Selbstverwaltung oder Entscheidungsfreiheit. orientierter Einstellungen deutlich wird. Hierbei zeigt sich außerdem die Tendenz der ostdeutschen Studierenden, relationale Items höher zu bewerten als ihre westdeutschen Kommilitonen.


Signifikante Unterschiede zwischen Studierenden ost- und westdeutscher Herkunft bestehen bei den Angaben zum gewünschten Alter für das erste Kind (bei ostdeutschen Studierenden eher), zur gewünschten Anzahl an Kindern (mehr Kinder gewünscht bei Studierenden westdeutscher Herkunft), sowie für Geburtsabstand (geringerer Geburtsabstand gewünscht von ostdeutschen Studierenden), Alter des Kindes für den Beginn mit Tagesbetreuung (früherer Zeitpunkt bei Studierenden ostdeutscher Herkunft) , Zustimmung zu bzw. Ablehnung von Kindertagesbetreuung (11,3% der westdeutschen Studierenden lehnen Tagesbetreuung ab gegenüber 2,3% der ostdeutschen) und Dauer von Tagesbetreuung (längere Betreuungsdauer angegeben von Studierenden ostdeutscher Herkunft).

Insgesamt sprechen die Daten für den vorhandenen Wunsch von Studierenden nach einer eigenen Familiengründung mit durchschnittlich sogar mehr als zwei Kindern. Berufliche und finanzielle Faktoren (39% der Angaben) sind allerdings deutliche Einflussgrößen auf die individuelle Familienplanung, während umgekehrt bei der Frage nach Faktoren für die Berufsplanung partnerschaftlich-familiäre Angaben nicht den größten Anteil der Antworten bilden.


Implikationen für die Praxis

Die Ergebnisse verdeutlichen die Diskrepanz, die von der Mehrheit der befragten Studierenden im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Berufsleben wahrgenommen wird. So scheint der Wunsch nach Partnerschaft und Kindern für viele einen sehr hohen Stellenwert zu besitzen, wird aber in Anbetracht der finanziell-beruflichen Anforderungen in der Umsetzung häufig zurückgestellt.


Ein weiterer praxisbezogener Hinweis ist das vielfach geäußerte Bedürfnis nach verbesserten Bildungs- und Betreuungsstrukturen für Kinder oder stärkere finanzielle Unterstützung bzw. Entlastung von Familien von staatlicher Seite.


 

Projektdetails

Projektart:Forschungsprojekt
Träger:nifbe-Forschungsstelle Entwicklung, Lernen und Kultur
Straße:Artilleriestr. 34
Ort:49069 Osnabrück