Sozialisationsziele als Grundlage erzieherischen Handelns in Kindertageseinrichtungen

Projektbeschreibung:

 

Projekt der Forschungsstelle Entwicklung, Lernen und Kultur des nifbe in Zusammenarbeit mit Dr. Bettina Lamm von der Abteilung Entwicklung und Kultur, Institut für Psychologie, Universität Osnabrück

 

Projektleitung:

 

Projektmitarbeiter:

 

 

Hintergrund und Fragestellung

Sozialisationsziele spiegeln die Fähigkeiten und Kompetenzen wider, die Erziehungspersonen bei Kindern anstreben. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil der kindlichen Entwicklungsnische, da sie die Wahrnehmung und Bewertung kindlichen Verhaltens, sowie Vorstellungen in Bezug auf die Erziehung von Kindern, deren Konsequenzen für die kindliche Entwicklung und das Erziehungsverhalten steuern. Umfangreiche interkulturelle Forschungen haben gezeigt, dass sich unterschiedliche kulturelle Modelle empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden. in den elterlichen Sozialisationszielen, Erziehungstheorien und Erziehungsstrategien abbilden lassen: Eine primär autonomautonom|||||Autonomes Handeln beinhaltet den Zustand der Selbstständigkeit, Unabhängigkeit Selbstbestimmung, Selbstverwaltung oder Entscheidungsfreiheit.iebezogene Sozialisation betont von Geburt an die kindliche Autonomie, Einmaligkeit, das Selbstbewusstsein und die grundsätzliche Getrenntheit von Anderen (stabile Ich-Grenzen). Eine primär relationale Sozialisation betont die Verbundenheit in der Familie und die hierarchische Verwobenheit ihrer Mitglieder, sowie Zurückhaltung, Gehorsam und Anpassung.


Es wird angenommen, dass die diesen kulturellen Modellen zu Grunde liegenden Dimensionen der Autonomie und der Relationalität nicht nur in Familien beobachtbar sind, sondern sich auch in öffentlichen Institutionen, wie beispielsweise Kindertageseinrichtungen, manifestieren. Es wird davon ausgegangen, dass die öffentliche Kultur Deutschlands eine autonomiefördernde Sozialisation von Kindern befürwortet und unterstützt, während in Kamerun auf der Dimension Relationalität eine größere Bedeutung zukommt. Ziel dieser Studie ist daher die Untersuchung, ob und inwieweit sich die angenommenen Unterschiede in den Dimensionen Autonomie und Relationalität in den Sozialisationszielen und Erziehungsmethoden von pädagogischem Fachpersonal in Kindertageseinrichtungen beider soziokultureller Kontexte abbilden lassen.


Untersuchungsdesign

Es handelt sich bei der Studie um eine kulturvergleichende Untersuchung. Die Daten werden in Form eines Fragebogens erhoben, der an derzeit berufstätige ErzieherInnen und LeiterInnen in Kindertageseinrichtungen ausgeteilt wird, sowie an ErzieherInnen, die sich momentan noch im letzten Ausbildungsjahr befinden. Die Daten werden sowohl in Deutschland (Osnabrück) als auch in Kamerun (Kumbo) erhoben.

 

Stand der Erhebung/ Auswertung

Deutschland: Der Fragebogen wurde bisher von 39 staatlich anerkannten ErzieherInnen/ LeiterInnen und 10 ErzieherInnen in Ausbildung ausgefüllt. Die Daten wurden bereits eingegeben und teilweise ausgewertet. Es ist eine weitere Erhebung mit angehenden ErzieherInnen Anfang Juni 2009 geplant.
 

Kamerun: Der Fragebogen wurde von ca. 40 ErzieherInnen bzw. LeiterInnen ausgefüllt. Die Daten werden in den kommenden Monaten eingegeben und ausgewertet. Ebenso ist auch hier eine weitere Erhebung mit ErzieherInnen in Ausbildung geplant.

 

Erste Ergebnisse

Vorläufige Ergebnisse liegen bisher lediglich für die deutsche Stichprobe vor, so dass ein Kulturvergleich zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich ist. Die bisherigen Ergebnisse machen jedoch bereits deutlich, dass sich die angenommene Betonung von Autonomie in den Erziehungsmethoden und Sozialisationszielen der deutschen ErzieherInnen bestätigen lässt: In Bezug auf die wichtigsten Dinge, die Kinder in Kindertageseinrichtungen lernen sollten, beziehen sich die befragten deutschen ErzieherInnen am häufigsten auf Aspekte, die die Förderung von Autonomie und des Selbstbewusstseins der Kinder betreffen. Demnach sollen die Kinder vor allem Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein, Eigeninitiative und Lebensfreude entwickeln. Die wichtigsten bildungsbezogenen Ziele beziehen sich auf den Spracherwerb, kognitive Fähigkeiten/ Konzentration und mathematische Kompetenzen/ Schulvorbereitung.

Die Art und Weise, wie die ErzieherInnen versuchen, die ihnen wichtigen Ziele zu erreichen, besteht vor allem in einem kindzentrierten Vorgehen, indem sie Kinder aktiv beobachten, die Ziele an den Entwicklungsstand der einzelnen Kinder anpassen und die Persönlichkeit der Kinder berücksichtigen. Ebenso werden verschiedene Lern- und Lehrmethoden, wie beispielsweise häufige Wiederholungen, Motivation, positive Verstärkung und die Vorbildfunktion der ErzieherInnen genannt. Sie geben an, Kinder zu motivieren, indem sie ihr Interesse und ihre Neugierde wecken und Angebote spannend und kindgerecht gestalten.

Ungefähr die Hälfte der ErzieherInnen gibt an, Kinder zu bestrafen, falls sie sich nicht an vereinbarte Regeln halten. Dabei scheint das Wort „Bestrafung“ für viele ErzieherInnen nicht angemessen zu sein. Auf einen Regelverstoß folgt am häufigsten eine „logische Konsequenz“, die sich aus dem Fehlverhalten des Kindes ableiten lässt oder die Vergabe einer „Auszeit“.

 

Implikationen für die Praxis

Das Wissen über kulturspezifische Einstellungen, Ziele und Verhaltensweisen, speziell in öffentlichen Einrichtungen und Institutionen, kann helfen, die eigenen kulturellen Werte und Vorstellungen bewusst werden zu lassen und deren Allgemeingültigkeit zu überdenken. Der Kulturvergleich kann deutlich machen, wie unterschiedlich Ziele und Methoden in der Kindererziehung sein können, die alle in ihrem jeweiligen kulturellen Umfeld ihre Berechtigung haben und nicht als besser oder schlechter bewertet werden können. Selbst in Deutschland leben Familien, die aus einem soziokulturellen Umfeld stammen, dass nicht mit der öffentlichen Mehrheitskultur übereinstimmt. Die Sozialisationsziele und Erziehungsmethoden von pädagogischen Fachkräften zu erfassen, bildet daher einen innovativen Zugang, mit dem eine verbesserte Anpassung an die unterschiedlichen soziokulturellen Realitäten von Familien, erreicht werden können. Diese Erkenntnisse sind zentral für frühe institutionelle Bildungsprozesse.

Projektdetails

Projektart:Forschungsprojekt
Träger:nifbe-Forschungsstelle Entwicklung, Lernen und Kultur
Straße:Artilleriestr. 34
Ort:49069 Osnabrück