Wirkungen psychomotorischer Förderung auf das Selbstkonzept

Projektbeschreibung:


Leitung:


Projektmitarbeiterinnen:

 

In der praktischen Arbeit der Forschungsstelle „Psychomotorische Entwicklungsförderung“ werden im Verhalten der Kinder im Laufe der Förderung Veränderungen erlebbar: Die Kinder werden nicht nur motorisch sicherer, sondern verändern ihr gesamtes Verhalten. Sie gehen mutiger und energievoller, mit mehr Ausdauer und Frustrationstoleranz und aus eigenem Antrieb an neue Herausforderungen heran, öffnen sich in der Gruppe, sprechen mehr oder differenzierter. Wir sehen dies auch als nach außen erlebbaren Ausdruck eines sich positiv verändernden Selbstkonzeptes.

Die gesellschaftliche Bedeutung des Selbstkonzeptes, hier speziell der Kinder, wird deutlich, wenn man ein positives Selbstkonzept als individuelle Ressource oder Kompetenz versteht (vgl. Reichenbach 2006). In Anbetracht der Bedeutung individueller Ressourcen im Rahmen der Modelle von SalutogeneseSalutogenese||||| Salutogenese beinhaltet die Wissenschaft von der Entstehung von Gesundheit und zielt darauf ab allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Während ein pathogenetischer Blickwinkel auf Krankheiten, ihre Ursachen und Gefahren blickt, orientiert sich ein solutogenetischer Blickwinkel unter anderem auf attraktive Gesundheitsziele. (Antonovsky 1997) und ResilienzResilienz|||||Resilienz kann als "seelische Widerstandsfähigkeit" verstanden werden mit der Fähigkeit Krisen zu meistern und diese als Anlass für Selbstentwicklungen zu nutzen. In der Resilienzförderung geht es speziell darum die Widerstandsfähigkeit von Kindern und Erwachsenen in belasteten und risikobehafteten Lebenssituationen durch schützende Faktoren zu entwicklen, zu ermutigen und zu stärken. Ein verwandter Begriff ist der der Salutogenese.  (Werner & Smith 1982) wird offensichtlich, in wie weit zentrale Ziele der Kindzentrierten psychomotorischen Entwicklungsförderung wie z.B. positive Selbstwahrnehmung und ausgeprägte Selbstwirksamkeit als Bestandteile des Selbstkonzeptes einen grundlegenden Beitrag zur Gesundheitsförderung und –erhaltung darstellen (vgl. Zimmer 2006, BzGA 2009).

Während die motorische Weiterentwicklung der Kinder schon lange standardisiert erfasst wird (vgl. Forschungsbereich Motodiagnostik), ist die Dokumentation mit Testverfahren zum Selbstkonzept schon alleine deshalb schwierig, weil Veränderungen in verschiedenen Bereichen auftreten und interagieren. Bisher fehlen geeignete veröffentlichte Instrumente insbesondere für das Vorschulalter. Wie also lassen sich die Effekte, die wir im Förderalltag erleben, zusätzlich zur deskriptiv orientierten Dokumentation in Kasuistiken standardisiert und auch quantitativ erfassen? Nach umfassenden theoretischen Vorarbeiten entschieden wir uns, zur Erfassung des Selbstkonzepts der Kinder Deusingers unveröffentlichten FKSI (Frankfurter Kinder-Selbstkonzept-Inventar) einzusetzen. Der FKSI erfasst 13 Selbstkonzeptbereiche anhand von 90 Items, bei denen die Kinder Selbsteinschätzungen vornehmen (z. B. Grad der Zustimmung zu der Aussage „Ich kann gut klettern“). Zusätzlich sollte der motorische Entwicklungsstand der Kinder anhand des MOT 4-6 (Zimmer/Volkamer, 1987) untersucht werden. Um die Sichtweisen von Eltern und Erzieherinnen im Sinne einer Außenperspektive ebenfalls erfassen zu können, wurden halbstrukturierte Interviews entwickelt.

Im Herbst 2011 begannen wir mit dem Pilotprojekt, an dem 14 Kindergartenkinder teilnahmen, die im September 2011 neu in die Psychomotorische Entwicklungsförderung der Forschungsstelle aufgenommenen worden waren. Es handelt sich um ein Mixed-Method-Design, in dem qualitative und quantitative Daten aufeinander bezogen werden.

Im Frühsommer 2012 wurden die Erhebungen wiederholt, um so Aussagen zur Entwicklung der Selbstkonzepte der Kinder treffen zu können. In den Eltern- und Erzieherinneninterviews wurde ein Schwerpunkt auf Veränderungen im durch die Psychomotorische Entwicklungsförderung geförderten Alltagsverhalten der Kinder gelegt, in dem sich Selbstkonzept ausdrückt (vgl. Kapitel 2.2 dieses Jahresberichtes).


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Abbildung 4: Selbstkonzeptwerte der Kinder vor und nach der Kindzentrierten psychomotorischen Entwicklungsförderung


Es zeigten sich zum Konzept der Kindzentrierten psychomotorischen Entwicklungsförderung passende, hypothesenkonforme signifikante Verbesserungen der Kinder in den Selbstkonzepten Angsterleben und Selbstsicherheit sowie die Tendenz einer erhöhten körperlichen Effizienz bei den Kindern (Abbildung 4). Desweiteren wurde eine überraschende, signifikante Erhöhung der Werte für Moralorientierung – Selbstwertschätzung beobachtet. Die deduktive Analyse der Eltern- und Erzieherinneninterviews unterstützt die genannten Befunde. Eine ausführliche Beschreibung der Ergebnisse und ihre Diskussion findet sich bei Ruploh, Martzy, Bischoff, Matschulat und Zimmer (2013).
In der Auswertung befinden sich derzeit noch Daten, die auf korrelative Zusammenhänge zwischen Motorik und Selbstkonzept verweisen. Die aktuell ebenfalls stattfindende induktive Auswertung der qualitativen Daten könnte einen Beitrag leisten zur Validierung des Konzeptes der Kindzentrierten psychomotorischen Entwicklungsförderung.
Aufbauend auf den Ergebnissen dieses Projekts wurde in 2013 bereits mit den Überlegungen und Planungen für eine evidenzbasierte Pilotstudie begonnen. Im Mittelpunkt soll die Frage stehen, inwiefern Kinder mit einer UEMF-Diagnose von einer gezielten psychomotorischen Intervention profitieren können. Dazu sollen die Effekte eines aufgabenorientierten Angebots (top-down) der Ergotherapie und eines individdumsorientierten Angebost (bottom-up) der Psychomotorik miteinander verglichen werden. Ziel soll neben der grundsätzlichen Feststellung von positiven Veränderungseffekten ein Vergleich der Ergebnisse der Verfahren sein, um betroffenen Kindern zielgerichteter notwendige Förderung und Therapie zukommen lassen zu können. Dazu wurden bereits Kontakte geknüpft und erste Gespräche mit Ärzten und Ergotherapeuten der Umgebung geführt, die eine für 2014 geplante Studie immer mehr an Gestalt gewinnen ließ.  
 

Literatur zum Projekt:
  • Ruploh, B., Martzy, F., Bischoff, A., Matschulat, N. & Zimmer, R. (2013). Veränderungen im Selbstkonzept nach psychomotorischer Förderung. Eine Studie im Mixed-Method-Design. motorik, 36 (4), 180-189. [peer-reviewed]
  • Bischoff, A., Martzy, F., Matschulat, N. & Ruploh, B. „…und heute habe ich es bis zur dritten Stufe geschafft!“ (2014). In I. Hunger & R. Zimmer (Hrsg.), Inklusion bewegt. Herausforderungen für die frühkindliche Bildung. (S. 182-187). Schorndorf: Hofmann.
  • Martzy, F., Ruploh, B. & Bischoff, A. (2015). Veränderungen im Selbstkonzept nach psychomotorischer Förderung. Eine multimethodale Untersuchung des kindzentrierten Ansatzes. motorik, 38 (1), 10-21. [peer-reviewed]

Weiterführende Literatur
  • Antonovsky, A. (1997). Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Tübingen: dgvt.
  • Bielefeld, J. (1991). Zur Begrifflichkeit und Strukturierung der Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper. In J. Bielefeld (Hrsg.), Körpererfahrung. Grundlagen menschlichen Bewegungsverhaltens. Göttingen: Hogrefe.
  • BzGA (Hrsg.) (2009). Schutzfaktoren bei Kindern und Jugendlichen. Stand der Forschung zu psychosozialen Schutzfaktoren für Gesundheit. Band 35. Köln: Eigenverlag.
  • Deusinger, I. M. (2002). Frankfurter Kinder-Selbstkonzept-Inventar (FKSI). Unveröffentlichtes Manuskript, Frankfurt am Main.
  • Reichenbach, C. (2006). Förderung des Selbstkonzeptes in der Psychomotorik als Teil einer Gesundheitsförderung. In K. Fischer, E. Knab & M. Behrens (Hrsg.), Bewegung in Bildung und Gesundheit (S. 365-370). Lemgo: akl.
  • Ruploh, B., Martzy, F., Bischoff, A., Matschulat, N. & Zimmer, R. (2013). Veränderungen im Selbstkonzept nach psychomotorischer Förderung. Eine Pilotstudie im Mixed-Methods-Design. motorik, 36 (4), 180-189.
  • Werner, E.E. & Smith, R.S. (1982): Vulnerable but invincible: A study of resilient children.. New York: McGraw-Hill.
  • Zimmer, R. (2010). Handbuch der Psychomotorik. Theorie und Praxis der psychomotorischen Förderung von Kindern (5., vollst. überarb. Neuausgabe, 12. Gesamtaufl.). Freiburg: Herder.
  • Zimmer, R. (2006): Bedeutung der Bewegung für Salutogenese und Resilienz. In K. Fischer, E. Knab & M. Behrens (Hrsg.), Bewegung in Bildung und Gesundheit (S. 306-313). Lemgo: akl.
  • Zimmer, R. & Volkamer, M. (1987). MOT 4-6. Motoriktest für vier- bis sechsjährige Kinder. Weinheim: Beltz.


 

Projektdetails

Projektart:Forschungsprojekt
Träger:nifbe-Forschungsstelle Bewegung und Psychomotorik
Straße:Jahntsraße 75
Ort:49080 Osnabrück

Ansprechpartner

Name: Fiona Martzy
Email: fiona.martzy@nifbe.de
Telefon: 0541-969-6406