Im Alltag Hürden nehmen

Einschätzungen pädagogischer Fachkräfte zur Selbstkompetenz (-förderung)

Projektbeschreibung:


Projekteitung:

 

Projektteam:



1.     Theoretischer Hintergrund
 
Die Entwicklung und Förderung von Selbstkompetenz nimmt eine herausragende Stellung in der Begabungsförderung ein. Sie begünstigt die Entfaltung von Begabungen, indem sie viele Handlungsmöglichkeiten, Kreativität und Emotionsregulation bereithält.

Die Grundlagen von Selbstkompetenz werden in der frühen Kindheit gelegt und können im Laufe des Lebens weiter ausgebaut werden. Die Selbstkompetenz bildet einen Teil der Persönlichkeitsentwicklung und ist entscheidend für die gesamte Bildungsbiographie. Komponenten von Selbstkompetenz sind beispielsweise Selbstmotivation, Selbstberuhigung, Selbstwahrnehmung und emotionale Ausdrucksfähigkeit. Aufgabe von PädagogInnen ist es, Kinder in ihrer Selbstkompetenzentwicklung zu unterstützen. Selbstkompetenzförderung findet dabei in erster Linie über professionelle pädagogische Beziehungen statt. Für die Beziehungsgestaltung benötigen PädagogInnen eine gute Selbstwahrnehmung, denn diese ist eng verbunden mit der Fähigkeit Empathie empfinden zu können. Neben der Wahrnehmung eigener Bedürfnisse, können sie so Bedürfnisse und Begabungen von Kindern wahrnehmen und entdecken. Werden diese in das eigene Handeln integriert, wird die Beziehung zu den Kindern gestärkt. Über die Gestaltung der Lernumgebung, die an die Fähigkeiten und Potentialen des Kindes anknüpft, wird das Kind herausgefordert und ihm werden Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglicht. Die Selbstkompetenz der Kinder kann so gefördert werden.

Studien zeigen, dass pädagogische Fachkräfte über ein hohes Maß an persönlichem Engagement, Wissen und Können verfügen. Diese positiven Seiten können jedoch durch Stress und hohe Anforderungen beeinträchtigt werden, sodass fachliche Handlungsmöglichkeiten und Beziehungspflege eingeschränkt sind. Selbstkompetenz auf Seiten der pädagogischen Fachkräfte kann hier entgegenwirken, indem sie vor den negativen Auswirkungen von Stress und Belastungen schützt. Fachkräfte werden so wieder in die Lage versetzt, professionell zu handeln, unter anderem also Beziehungsarbeit zu leisten. Es ist ein Zusammenhang zwischen der Selbstkompetenz von PädagogInnen und der von Kindern anzunehmen. Der Zugriff auf die eigene Selbstkompetenz der PädagogInnen ist grundlegend für die professionelle Gestaltung von Beziehungs- und Bildungsprozessen.


2.     Ausgangslage
 
Im Zuge des Projektes „(Selbst-)kompetent bilden- Kinder nachhaltig stärken“ (Laufzeit Februar- Mai 2012) wurde erhoben, was für PädagogInnen im Altkreis Wittlager Land typische Belastungsmomente und Ressourcen in ihrem Berufsalltag darstellen. Die Ergebnisse dieses Projektes liefern wichtige Hinweise in Bezug auf die Zusammenhänge von Selbstkompetenz und Belastung: Es werden negative Auswirkungen von Stress auf die Arbeit und auf den Umgang mit anderen Menschen deutlich. Zum anderen zeigt sich, dass ein gelassenes, entspanntes Befinden zu einem umsichtigeren, empathischeren und kreativeren Handeln auf der Grundlage des persönlichen Erfahrungsschatzes führt. Ein weiteres zentrales Ergebnis dieser Studie untermauert Ergebnisse oben erwähnter Studien: Pädagogen arbeiten gerne und zufrieden in ihrem Beruf, beanspruchen sich jedoch häufig über das gesunde Maß hinaus. Stress und Belastungen erschweren den Zugriff auf die eigene Selbstkompetenz.

Ergebnisse der Studien zur individuellen Förderung in Kita und Grundschule („Individuelle Förderung in Kindertagesstätten- Eine empirische Studie zu Sichtweisen und Einschätzungen von ErzieherInnen“ und „Individuelle Förderung in der Grundschule- eine empirische Studie zu Sichtweisen und Einschätzungen von Lehrerinnen und Lehrern“) zeigen ein ähnliches Bild von dem Zusammenwirken von Selbstkompetenzen, Belastungen und Bewältigungsmöglichkeiten. In diesen Forschungen wurde herausgearbeitet, in welchen Situationen PädagogInnen Schwierigkeiten haben, auf ihre Selbstkompetenz zurückzugreifen bzw. ihren Selbstzugang zu wahren. Neben einzelnen Situationen, die als belastend empfunden werden, sind dies insbesondere andauernde Belastungen, die beispielsweise durch wachsende, vielfältige gesellschaftliche Ansprüche an die Qualität der Arbeit oder auch durch die als hoch empfundene Erwartungshaltung von Eltern hervorgerufen werden.

Weitere Studien, wie die Studie zur „Kompetenz und Zufriedenheit von Erzieherinnen in Niedersachsen“ von Schneewind und Böhmer (2012), machen deutlich, dass die psychische Gesundheitslage von Erzieherinnen „eine Tendenz zur Erholungsunfähigkeit und emotionalen Erschöpfung aufweisen, die unter Umständen langfristig zu Burnout führen kann.“ (S.25) Auch zu Belastungen im Lehrerberuf zeigen Studien wie die Potsdamer Lehrerstudie auf, dass Lehrkräfte im Vergleich zu anderen Berufsgruppen überproportional belastet sind. So führt die Potsdamer Lehrerstudie auf, wie sich die Belastungen je nach individuellem Bewältigungsmuster der Lehrkräfte bis in den Bereich gesundheitlicher Schädigungen dramatisch auswirken können.

Diese Studien verdeutlichen, wie stark pädagogische Fachkräfte teilweise belastet sind. Sie zeigen jedoch auch auf, dass eine Gruppe von pädagogischen Fachkräften ihren Berufsalltag erfolgreich bewältigt und ihren Beruf engagiert und motiviert ausübt. Unsere These ist, dass diese Fachkräfte in der Lage sind, auf die eigene Selbstkompetenz zuzugreifen.


3.     Erkenntnisinteresse/ Forschungsfragen
 

Erkenntnisinteresse:

In diesem Projekt soll das subjektive Kompetenzempfinden der Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen in Bezug auf die persönliche Selbstkompetenz erforscht werden. Ebenso soll in Form von subjektiven Einschätzungen der Fachkräfte erhoben werden, welche Komponenten von Selbstkompetenz sie bei der Förderung von Kindern in den Fokus nehmen. Das erhobene Datenmaterial soll auf mögliche Zusammenhänge zwischen der Selbstkompetenz der pädagogischen Fachkräfte und der Selbstkompetenzentwicklung der Kinder überprüft werden.

 

Forschungsfragen:

a) Ressourcen/Unterstützung: 

  • Welches Unterstützungspotential ziehen Pädagogen aus ihren personalen Bewältigungsstrategien?
  • Wo sehen pädagogische Fachkräfte Unterstützungspotential in organisationsbezogenen Faktoren?
  • Wie schätzen Pädagogen das eigene Berufsbild bzw. die subjektive Bedeutsamkeit ihrer Arbeit als Unterstützung ein?
  • Schätzen Pädagogen gesellschaftliche Berufsbilder als Unterstützungsmomente ein?

b) Zugriff auf die eigene Selbstkompetenz:

  • In welchem Maße schätzen päd. Fachkräfte ein, über Selbstkompetenz zu verfügen?

c) Förderung der Selbstkompetenz von Kindern:

  • Welche Komponenten von Selbstkompetenz fördern PädagogInnen ihrer Selbsteinschätzung nach?

Selbstkompetenz wird dabei unterteilt in (in Anlehnung an Krnakenberg & Künne):

  • Selbstregulation:
    • Selbstbestimmung
    • Selbstmotivierung
    • Selbstberuhigung
  • Selbstkontrolle:
    • Planungsfähigkeit
    • Angstfreie Zielorientierung
  • Willensbahnung:
    • Initiative
    • Absichtsumsetzung
    • Konzentration
  • Selbstzugang:
    • Misserfolgsbewältigung
    • Selbstgespür
    • Integration
  • Stress:
    • Belastung
    • Bedrohung

d) Wie korreliert die Selbsteinschätzung der PädagogInnen zur eigenen Selbstkompetenz mit ihren Einschätzungen in Bezug auf die Förderung von Selbstkompetenz bei Kindern?

 

4.     Ziel
 
Ziel der Online-Erhebung ist es, die Selbsteinschätzung der pädagogischen Fachkräfte in Bezug auf die eigene Selbstkompetenz abzubilden. Zudem soll aufgezeigt werden, was Fachkräfte vermuten, in welchem Maße sie durch ihr pädagogisches Handeln Kinder in ihrer Selbstkompetenzentwicklung unterstützen. In einem weiteren Projektschritt soll erforscht werden, welche Strategien pädagogische Fachkräfte einsetzen, um ihre Selbstkompetenz zu aktivieren. Eine Systematisierung dieser Strategien leistet neben einer möglichen Weiterentwicklung von Handlungsoptionen, einen Beitrag zur (Weiter-)ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.   der pädagogischen Fachkräfte.

Die Ergebnisse sollen in Handreichungen veröffentlicht und gezielt niedersächsischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen und Fachkräften in der Kindertagesbetreuung zur Verfügung gestellt werden.

 

5.     Forschungsdesign
 

Methode

Die Erhebung zur „Selbstkompetenz“ ist als quantitatives Vorhaben geplant. Ein Fragebogen mit standardisierten, überwiegend intervallskalierten Fragen wird online gestellt.

Nach Güteprüfung und Bereinigung der Daten werden für die Standard-Auswertung vor allem Häufigkeiten und Mittelwerte berechnet. Darüber hinaus werden Kreuztabellen und Mittelwertvergleiche erstellt und gegebenenfalls multivariate Analysen ergänzt.

In einem zweiten Projektschritt wird der Frage nachgegangen, welche Strategien die pädagogischen Fachkräfte in ihrem Berufsalltag einsetzen, um ihre Selbstkompetenz aktivieren zu können. In der zweiten Erhebungsphase ist hierfür eine videografische Analyse geplant.

 

Stichprobe und Feldzugang

Die Zielgruppe in diesem Projekt ist pädagogisches Fachpersonal in Niedersachsen. Zum einen pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen (ErzieherInnen, SozialassistentInnen, KinderpflegerInnen etc.), zum anderen pädagogische Fachkräfte, die im Rahmen der Kindertagesbetreuung (Tagesmütter) arbeiten.

Der Link zur Online-Befragung wurde über einen niedersachsenweiten Kita- Verteiler und Fachberatungs-Verteiler versendet. Ebenso wird dieser auf einer Vielzahl verschiedener Homepages veröffentlicht.



6.     Ergebnisse

Erste Ergebnisse der Studie finden Sie in dem Beitrag "Kindertagespflege zwischen Identifikation und Belastung"

 

Literatur

Behrensen, B., Sauerhering, M., Solzbacher, C., & Warnecke, W. (2011). Das einzelne Kind im Blick: Individuelle Förderung in Kitas. Freiburg, Herder.

Künne, T., & Sauerhering, M. (2012). Selbstkompetenz (-Förderung) in KiTa und Grundschule. nifbe-Themenheft: Vol. 4. Osnabrück: Eigenverlag.

Künne, T., Sauerhering, M., & Strehlau, A. (2011). Selbstkompetenzföderung als Basis frühkindlichen Lernens: Ein (weiterer) Anspruch an die elementarpädagogische Praxis?http://www.kindergartenpaedagogik.de/2208.html.

Künne; Frankenberg: unveröffentlichtes Fortbildungsmaterial.

Kuhl, J., & Solzbacher, C. (2012). Selbstkompetenzförderung durch Beziehungsarbeit. In C. Solzbacher, S. Müller-Using, & I. Doll (Eds.), Praxiswissen Unterricht. Ressourcen stärken! Individuelle Förderung als Herausforderung für die Grundschule (pp. 277-295). Köln: Carl Link.

Reich, K. (2008). Konstruktivistische Didaktik- Lehr- und Studienbuch mit Methodenpool. Weinheim, Beltz Verla. 

Schneewind, J., Föhring, A., & Chiles, E. (2011). Gefühle, Stress und psychische Gesundheit- Persönlichkeitsbildung von Erzieherinnen. In Schneewind, J.: Persönlichkeit stärken- gesund bleiben. Kraft tanken im Erzieherinnen- Alltag. Köln

Schneewind, J., & Böhmer, N. (2012). Abschlussbericht: Studie zur Kompetenz und Zufriedenheit von Erzieherinnen in Niedersachsen. Hochschule Osnabrück.

Schaarschmidt, U. (2005). Halbtagsjobber. Psychische Gesundheit im Lehrerberuf- Analyse eines veränderungsbedürftigen Zustandes. Weinheim, Beltz Verlag

Solzbacher, C., Behrensen, B., Sauerhering, M., & Schwer, C. (2012). Jedem Kind gerecht werden?: Sichtweisen und Erfahrungen von Grundschullehrkräften. Praxiswissen Unterricht. Köln, Carl Link.

 
 

 

Projektdetails

Projektart:Forschungsprojekt
Laufzeit:01.01.2013 - 31.12.2015
Träger:nifbe-Forschungsstelle Begabungsförderung
Straße:Heger-Tor-Wall 19
Ort:49078 Osnabrück