Mehr Resilienz in den Kita-Alltag: Herausforderung und Entwicklungschance
Wie Leitung, Team und Kinder stärker werden
Die Kraft der ResilienzResilienz|||||Resilienz kann als "seelische Widerstandsfähigkeit" verstanden werden mit der Fähigkeit Krisen zu meistern und diese als Anlass für Selbstentwicklungen zu nutzen. In der Resilienzförderung geht es speziell darum die Widerstandsfähigkeit von Kindern und Erwachsenen in belasteten und risikobehafteten Lebenssituationen durch schützende Faktoren zu entwicklen, zu ermutigen und zu stärken. Ein verwandter Begriff ist der der Salutogenese. kann den Kita-Alltag gesünder, freudiger und lebendiger gestalten. Ihre persönlichen Ressourcen zu stärken unterstützt Kita-Leitung und Mitarbeiter*innen in herausfordernden Situationen. Ebenso hilft es, einen wertschätzenden Umgang zu fördern und entlastende Verfahren zu entwickeln. Am Ende gewinnen auch die Kinder.Was macht Erzieher*innen, Teams und Kinder stark? Dieses Thema ist fortwährend Teil des pädagogischen DiskursDiskurs|||||Der Begriff Diskurs kann verschiedene Bedeutungen haben, wurde ursprünglich jedoch als „hin und her gehendes Gespräch“ verwendet. Weitere Bedeutungen sind: theoretische Erörterung, systematische, methodische Abhandlung, gesellschaftliche Auseinandersetzung, Erörterung. Sinnverwandt sind auch Debatte, Diskussion, Disput. es. Stets geht es dabei um Grundhaltungen, Wertschätzung und Herzensbildung, aber auch um die Rahmenbedingungen der täglichen Arbeit. Denn wie soll pädagogisches Handeln Früchte tragen, wenn bei den Fachkräften Frust über Ressourcenmangel, Unzufriedenheit und Überforderung vorherrscht? Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund erhält das Thema Resilienz immer mehr Aufmerksamkeit. Wie aber definiert sich Resilienz für den pädagogischen Alltag?
Wustmann bezeichnet Resilienz als Fähigkeit von Individuen, mit belastenden Lebensereignissen erfolgreich umzugehen.(1) Nach Gruhl und Körbächer umfasst Resilienz alle Kräfte, die Menschen aktivieren können, um das Leben zu meistern. (2) Sie sprechen von resilienten Menschen als »Stehauf-Menschen«, die sich trotz aller Widrigkeiten nicht unterkriegen lassen.
Resilienz ist keine feste Charaktereigenschaft, sondern eine dynamische Kraft, die an den Herausforderungen wächst. Sie gibt uns Widerstandsfähigkeit und Flexibilität, um den Alltag gesünder zu bewältigen und gestärkt aus seinen Anforderungen hervorzugehen. Resiliente Menschen haben eine Art »seelisches Immunsystem«. Sie haben Handlungsmuster entwickelt, um herausfordernde Situationen zu bewältigen, mit aufkommenden Emotionen umzugehen und dabei gesund zu bleiben. So finden sie aus schwierigen Situationen zum Zustand des Wohlbefindens zurück.

Abb. 1: Das Modell von Gruhl/Körbächer stellt den Zusammenhang der drei Grundhaltungen und vier Handlungsaspekte als Grundlage von Resilienz dar.
Das in der Grafik beispielhaft vorgestellte Resilienzmodell von Monika Gruhl und Hugo Körbächer zeigt die Bedeutung und Verbindung von Grundhaltungen und Verhaltensaspekten: Die drei Grundhaltungen Optimismus, Lösungsorientierung und Akzeptanz sind für die seelische Widerstandskraft elementar. Darauf bauen vier Handlungsaspekte auf: Sich selbst regulieren; Verantwortung übernehmen, Beziehungen und Zukunftsperspektiven aktiv gestalten. Mit dem richtigen Mix dieser Haltungen und Handlungsoptionen können die Anforderungen und Herausforderungen des Alltags besser bewältigt, Veränderungen gestaltet und Handlungsspielräume erweitert werden.
Von der resilienten Leitung zum resilienten Team
Das Idealbild der resilienten Kita-Leitung ist schnell beschrieben: Stets ruhig bleiben, einen klaren Kopf behalten, die eigenen Gefühle wahrnehmen, ausdrücken und sich selber regulieren; sich niemals stressen lassen und dabei die Rahmenbedingungen, die Bedürfnisse des Teams, der Kinder und der Eltern nie aus dem Auge verlieren. Wie aber soll das in der Praxis jemals funktionieren?Wer sich, etwa in einer speziellen Fortbildung, mit den Resilienzfaktoren auseinandersetzt, lernt seine eigenen Stärken zu entwickeln und mit Schwächen anders umzugehen. Man reflektiert persönliche Glaubenssätze und erfährt, wie die Grundhaltungen der Resilienz und die jeweiligen Handlungsoptionen gelebt werden können. Als erfolgreich erkannte Strategien darf man ausbauen, von anderen sollte man sich verabschieden. Schritt für Schritt erweitert und stärkt man so die eigene Gestaltungskraft und Selbstwirksamkeit.
Das fördert zunächst die persönliche Resilienz, wie es die Teilnehmerin einer Leitungsfortbildung beschreibt: »Resilienz begleitet mich im Alltag und hilft mir, mich wohl zu fühlen. Resilienz zeigt mir auf, was ich reflektieren sollte und wo meine ›Baustellen‹ liegen. Resilienz hilft mir, bei mir selbst zu bleiben oder zu mir zurückzufinden.«
Im turbulenten und nicht planbaren Alltag stehen die eigenen Bedürfnisse oft nicht an erster Stelle. Die eigene Resilienz hilft jedoch, mit herausfordernden Situationen umzugehen, und prägt auch die Resilienz der Einrichtung, beschreibt es ein Kita-Leiter: »Meine Resilienz bestimmt die Qualität meines Lebens. Deswegen bin ich bemüht, die Resilienz bei Mitarbeitenden und Kindern zu fördern und zu stärken.«
Den Rahmen für eine »resiliente Kita« zu schaffen, beginnt also beim eigenen Führungsstil. Ihn nach Kriterien der Resilienz zu gestalten, erfordert Zeit und Geduld, sich mit den Resilienzfaktoren auseinanderzusetzen, sie individuell anzuwenden und zu »trainieren«.
Gleichzeitig braucht es Grundwerte und Standards, nach denen die Kita auch in »Notfällen« arbeiten kann. Definierte Prozesse, konkrete Wochenpläne und Verhaltensmaximen, wie sie bei der Leitbildentwicklung und im Rahmen des Qualitätsmanagements festgelegt werden, sollten unter Resilienzaspekten erarbeitet werden. Aus einer resilienten Lebenshaltung heraus wird eine Kita-Leitung hier Schwerpunkte setzen können, die vorbeugend und entlastend auf herausfordernde Situationen vorbereiten.
Eine resiliente Leitung wünscht sich resiliente Mitarbeiter*innen. Sie sind nicht nur gesünder und leistungsfähiger, sondern haben auch mehr Freude an der Arbeit und vermitteln diese Kindern und Eltern. Zum Stellenwert von Resilienz im pädagogischen Alltag gibt es viele Forschungsprojekte aus der Praxis. Auch das Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) hat sich dem Thema gewidmet und professionelle Settings zur Stärkung der Fachkräfte wie Fallberatung, Fachberatung, Coaching und Supervision sowie Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz definiert. (3)
Im alltäglichen Umgang mit dem Team ebenso wie in formalisierten Mitarbeitergesprächen sollte es Ziel sein, die Widerstandskraft und die Motivation zu stärken und Frustration abzubauen, auch im Hinblick auf die Haltung den Kindern gegenüber. Eine Erzieherin beschreibt diesen Prozess so: »Resilienz ist wichtig für die tägliche Arbeit als pädagogische Fachkraft. Sich Inseln zu bauen für positive Momente – Reflexion der eigenen Verfassung, um so für sich selbst zu sorgen. Resilienz zu verfolgen bereitet einem den Weg über Stolpersteine und lässt einen näher bei sich sein.«
Idealerweise geht die Stärkung der Resilienz der einzelnen Teammitglieder einher mit einer entsprechenden Entwicklung des gesamten Teams. Hier verbinden sich die persönlichen Entwicklungen aller Beteiligten und die resilienzfördernden Verhaltensweisen und Prozesse der Organisation. Wenn die »resiliente Haltung« z.B. im Leitbild oder im Konzept verankert ist, können sich Mitarbeitende auf den Weg machen, die eigene und die Teamresilienz zu stärken.
Resilienz bei Kindern vorleben und fördern
Es gilt also, die persönliche Resilienz zu entwickeln, die Teamresilienz zu stärken und resilientes Verhalten vorzuleben. Eine resiliente Grundhaltung ist bereits Teil des Prozesses, die Kinder auf dem Weg zu mehr Resilienz mitzunehmen. Darüber hinaus sind in Wissenschaft und Praxis zahlreiche Anregungen für einzelne Maßnahmen zu finden. So kann eine reizarme Raumgestaltung Resilienz bei Kindern ebenso fördern wie Yoga oder Entspannungstechniken (Hofmann und Kruse 2021). Gleichzeitig gibt es Ansätze von Autor*innen, die eigene Reflexionsarbeit von Erzieher*innen unter dem Aspekt »Mehr Resilienz im Kita-Alltag« zu betrachten (z.B. Karr-Meng 2022).Auch viele Förderprogramme beschreiben, wie Resilienz in der Kita gelingen kann. Dabei gilt es, Schutz- und Risikofaktoren von Kindern zu identifizieren, um dann die personalen und sozialen Ressourcen der Kinder zu stärken. Schutzfaktoren finden sich etwa in den Bereichen Mitbestimmung, Vorbilder, Problemlösungskompetenz, Verantwortung, Fehlerkultur. Konkret kann z.B. ein »Ort der Sicherheit« für Kinder etabliert werden. Mutmachgeschichten, Herzensgeschichten, Gefühlekarten können helfen, praktische Übungen und Rituale zielgerichtet zu gestalten (vgl. Bücken-Schaal 2021, Grubert 2020, Kubitschek 2016).
Das Förderprogramm »Prävention und Resilienzförderung in Kindertageseinrichtungen – (PRIK)« gibt ebenfalls praktische Durchführungsanleitungen und Übungen für die Förderung einzelner Resilienzfaktoren bei Kindern (Fröhlich-Gildhoff/Dörner/Rönnau-Böse, 2021).
Das Ziel der Resilienzförderung bei den Kindern beschreibt eine Fortbildungsteilnehmerin: »Resilienzarbeit im Kindergarten verbinde ich in erster Linie damit, mit Kindern intensiv und regelmäßig über ihre Gefühle zu sprechen. Seine eigenen Gefühle zu kennen und zu benennen stellt für mich die Grundlage eines resilienten Ichs dar. Nur wer weiß, was er fühlt, weiß auch, was er in schwierigen Situationen braucht, oder kann sich selbständig Hilfe holen …«
Wie aber schafft es eine Erzieherin, eine resiliente Haltung zu entwickeln, wenn sie ihren Alltag nur stressig und überfordernd erlebt? Sofern sie Resilienzarbeit als zusätzliche Anforderung versteht, wird ihr Widerstand groß sein. Motivieren kann die Aussicht auf einen Gewinn an Zeit und Energie. Es lohnt sich, hier Zeit zu investieren, weil in der resilienten Kita weniger Konflikte auftreten, unterschiedliche Kompetenzen geachtet werden, akzeptierte Regeln die Arbeit vereinfachen und Raum für Neues frei wird.
Erste Schritte auf dem Resilienz-Erlebnispfad
Wem Resilienzfaktoren und Handlungsaspekte als trocken-theoretische Konstrukte erscheinen, kann sie beispielsweise auf dem Resilienz-Erlebnispfad konkret erfahren: Der Weg führt von Tisch zu Tisch, und auf jeder Station lädt eine alltagsbezogene Aufgabe ein, einen Resilienzaspekt zu reflektieren:- Was bringt unser Team aus dem Gleichgewicht?
- Was treibt mich an und was bremst uns aus?
- Was füllt mein Energiefass auf?
Spielerisch lernen die Teilnehmenden ihren Umgang mit Problemen kennen oder erschließen sich ihr Agieren im Team zwischen Verantwortung und Opferrolle. Pädagogische Fachkräfte können die Erfahrungen dieser Entdeckungsreise in ihren Berufsalltag integrieren, aber auch als Ausgangspunkt zu einer weiterführenden Auseinandersetzung mit dem Thema Resilienz verstehen.
Fazit
Gelebt wird Resilienz, wenn alle auf die eigenen Bedürfnisse, aber auch die Grenzen der anderen achten; wenn sie üben, klar zu kommunizieren, partizipativ zu arbeiten und im Team Konflikte und Herausforderungen anzusprechen; wenn sie mit Stärken und Schwächen offen umgehen und sie zum Wohle der Einrichtung und des Teams zu nutzen. Den Prozess vom Kennenlernen der Resilienzfaktoren bis zum so gelebten Arbeitsalltag anzustoßen und zu begleiten, ist eine anspruchsvolle Aufgabe für eine Kita-Leitung. Erfolgreich wird die Leitung sein, wenn sie neben der Eigenreflexion alle weiteren Ebenen einbezieht: Die Förderung der Kinder, der Eltern, der Fachkräfte – und schließlich auch das organisatorische Umfeld, in dem die Einrichtung agiert.Präventions- und Resilienzförderprogramme (Auswahl)
- Resilienz fördern, Kubitschek, G. München 2016.
- Herzgeschichten: Kinder stärken und Ihr Selbstwertgefühl fördern, Grubert, A. München 2020.
- 30 Gefühlekarten für Kinder, Bücken-Schaal, M. München 2021.
- Mehr Resilienz in meinem Kita-Alltag, Karr-Meng, A.Stuttgart 2022.
- Prävention und Resilienzförderung in Kindertageseinrichtungen – (PRIK), Fröhlich-Gildhoff, K.,Dörner, T., Rönnau-Böse, M. Freiburg 2021.
- Fördern von Resilienz und Gesundheit im Fachkräfteteam in Resilienz im Kita-Alltag, Rönnau-Böse M./Fröhlich-Gildhoff, K., Freiburg 2020, S. 84–91.
- Wir schaffen das gemeinsam – in der KiTa Resilienz stärken, Hofmann, I./Kruse,M., Nifbe Themenheft Nr. 37, Osnabrück 2021 (mit zahlreichen weiteren Verweisen zu Quellen und Arbeitsmaterialien).
Fußnoten
(1) Wustmann, C. Resilienz: Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern, Beltz, Weinheim/Basel, 2004.
(2) Gruhl, M./Körbächer, H., Mit Resilienz leichter durch den Alltag, Norderstedt, 2019.
(3) Wir schaffen das gemeinsam – in der KiTa Resilienz stärken, Hofmann, I./Kruse,M., Nifbe Themenheft Nr. 37, Osnabrück 2021.
Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus
KiTa Aktuell ND 12-20245, S. 9-11
KiTa Aktuell ND 12-20245, S. 9-11
- Zuletzt bearbeitet am: Montag, 10. März 2025 15:21 by Karsten Herrmann