Sexuelle Bildung von Anfang an

Oder warum Sexualität ein elementar-pädagogisch bedeutsames Lernmoment ist

Inhaltsverzeichnis

  1. 1.1 Sexualpädagogik- ein Teilgebiet der Sozialpädagogik
  2. 1.2 Sexualerziehung als Sozialerziehung
  3. 1.3 Von der Sexualaufklärung über die Sexualpädagogik hin zur sexuellen Bildung
  4. 2. Sexuelle Bildungskompetenzen
  5. 2.1 Sexuelle Bildungskompetenzen in einzelnen Handlungsfeldern
  6. 2.2 Sexuelle Bildung & sexuelle Entwicklung in der Kindheit
  7. Sexuelle Entwicklung im Jugendalter
  8. 3. Sexuelle Bildung & Arbeit mit Sorgeberechtigten
  9. 3.1 Der Elternabend
  10. Literatur

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3.1 Der Elternabend

Der folgende Ablaufplan könnte eine Möglichkeit sein, dem Thema Sexualität in kindheitspädagogischen Einrichtungen zu begegnen. Dabei ist dieses Vorgehen, wie hier dargestellt, lediglich eine Möglichkeit und nicht als starrer Ablaufplan zu verstehen.

Die Einladung
Ein freundlich formulierter und auffordernder Einladungsbrief an alle Sorgeberechtigten, ggf. in mehreren Sprachen – sofern Menschen mit nicht deutscher Herkunft und/oder schlechteren Deutschkenntnissen in der Einrichtung sind –, ist sinnvoll. Auch und gerade auf leichte Sprache ist zu achten, wenn Sorgeberechtigte mit Behinderung Teil der Elternschaft stellen. Eine sensible, positive Formulierung, welche die Eltern respektvoll als Partner*innen anspricht, kann dazu beitragen, dass sie sich ernst genommen fühlen, ihnen ihre Angst/Unsicherheit genommen wird und sie deshalb an der Veranstaltung teilnehmen. Folgende Fragestellungen könnten bei der Formulierung eines Einladungsschreibens eine Hilfestellung sein:
  • Welche Altersgruppe wird angesprochen?
  • Welche Familienformen sind in der kindheitspädagogischen Einrichtung vertreten und können / sollten / müssen diese im Kontext des Themas angesprochen werden (bspw. Alleinerziehende, Einelternfamilien oder Regenbogenfamilien / gleichgeschlechtliche Familien)?
  • Muss ich den Brief in verschiedene Sprachen übersetzen lassen? (Bitte nicht mit Google Translate – dies ist noch nicht ausgereift genug um komplexe Anschreiben zu übersetzen)
  • Wie kann ich den Brief ansprechend gestalten? (Farben und ggf. eigenes Logo / Briefpapier)
  • Habe ich Menschen mit Behinderungen unter den Eltern und muss daher besonders „leichte Sprache“ anwenden?
  • Habe ich Datum und Uhrzeit des Elternabends angegeben und einen Rücklaufteil in den Brief eingefügt, damit ich besser in Bezug auf (Sitz-)Plätze planen kann?
  • Habe ich eine Uhrzeit gewählt, bei der es berufstätigen Eltern möglich sein wird, an der Veranstaltung teilzunehmen?


Kooperation mit Fachpersonal
Es kann sinnvoll sein, sich als Team externe ‚Expert*innen bspw. von Pro Familia einzuladen. Die Einbeziehung externen Personals kann dazu führen, dass pädagogische Fachkräfte der jeweiligen Institution entlastet werden und auch andere (z. B. Praktikant*innen) am Eltern(pflegschafts)abend teilnehmen können, da sie nicht (komplett) im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen (vgl. Jegge 2012).

Methodenwahl
Wichtig bei Eltern(pflegschafts)abenden im Sinne ko-konstruktivistischer Lernforschung ist, dass die Sorgeberechtigten nicht zu reinen Informationsempfänger*innen degradiert werden. Viel wichtiger ist, dass sie einerseits Informationen bekommen (im besten Fall auch etwas, was sie mit nach Hause nehmen können, wie bspw. Infobroschüren oder eine Liste mit Literatur- und Websitetipps), sondern dass sie auch aktiv in den Prozess eingebunden sind. Gerade Frage- und Diskussionsrunden, in denen Eltern Zeit und Raum gegeben wird, sich über Unsicherheiten, Ängste, Sorgen, aber auch positive Erfahrungen auszutauschen, sind für die eigene Entwicklung der Eltern essenziell wichtig (vgl. ebd.).

Zentrale Inhalte
Die Inhalte variieren selbstverständlich von Institution zu Institution – auch in Anbetracht verschiedener entwicklungspsychologischer Stadien, in denen sich die Kinder und Jugendlichen befinden. Allgemein könnten folgende Punkte Gegenstand eines Eltern(pflegschafts)abends sein:

  • Information über die psychosexuelle Entwicklung von Kindern der jeweiligen Altersgruppe, deren Ausdrucksformen und Aktivitäten.
  • Informationen über Inhalte und Methoden und Lehrmittel der Sozial-/Sexualerziehung
  • Fragen von Kindern können das Interesse der Eltern wecken und den Realitätsbezug herstellen.
  • Austausch zwischen Pädagog*innen und Eltern sowie zwischen Eltern untereinander.
  • Information über Aspekte der gegenwärtigen sexuellen Kultur / Werte und Normen sowie Gesetze unserer Gesellschaft.
  • Informationen über Hilfsangebote und Beratungsstellen.
  • Ermittlung und Darstellung des sexualpädagogischen Klimas der verschiedenen Elternhäuser (vgl. Valtl 1998).

Räumlichkeiten und Rahmen
Eine entspannte Atmosphäre – wenn möglich nicht auf den kleinen Kinderstühlen –, ggf. durch Blumendekoration und kleine Aufmerksamkeiten auf den Sitzgelegenheiten unterstützt, macht es den Sorgeberechtigten leichter, sich auf das Thema des Elternabends einzulassen (vgl. Okeke 2010). Auch das Ansetzen einer Pause, die zum informellen Austausch zwischen den Sorgeberechtigten anregt und mit Getränken und kleinen Snacks gestaltet wird, hat sich als erfolgreich erwiesen.

Material- und Medientisch
Das Zeigen der verschiedenen sexualpädagogischen Materialien, bspw. auf einem Medientisch, ist sinnvoll, da es den Sorgeberechtigten einen Einblick gibt, was ihre Kinder an sexualpädagogischem Material konsumieren und woher ggf. etwaige Fragen herrühren, die die Kinder zu Hause stellen (vgl. Jegge 2012).

Kulturelle, spirituelle und religiöse DiversitätDiversität|||||siehe Diversity
Je nachdem, in welchem sozialen Raum die sozialpädagogische Institution beheimatet ist, kann es vorkommen, dass Sorgeberechtigte strengen, bisweilen fundamentalistischen religiösen Normen nacheifern. Gerade für jene Sorgeberechtigten ist es wichtig, dass sie das Gefühl bekommen, trotz ihres „Andersseins“ akzeptiert und in den Prozess der Auseinandersetzung mit sexualpädagogischen Themen mitgenommen zu werden (vgl. Wanzeck 2008). Hier kann es ebenfalls notwendig sein, auf das für die Kinder durch die Verfassung garantierte Recht auf selbstbestimmte Sexualität hinzuweisen und aufzuzeigen, wie dieses Recht in der Institution realisiert wird und dass es nicht darum geht, die Kinder ‚sexuell zu missionieren‘.

Menschenrechtsbasierte sexuelle Bildung
Grundsätzlich ist es sinnvoll, an einem solchen Abend auch normativnormativ|||||Normativ  bedeutet normgebend, somit wird etwas vorgeschrieben, dass Normen, Regeln oder ein „Sollen“ beinhaltet.e Aspekte der Sexualpädagogik zu thematisieren und die Sorgeberechtigten darauf hinzuweisen, dass Kinder und Jugendliche ein Anrecht auf Zugang zu einer altersentsprechenden Sexualerziehung haben. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, auf die Grundaspekte einer menschenrechtsbasierten Sexualaufklärung hinzuweisen.
„Sexuelle Rechte als auf Sexualität bezogene Menschenrechte bieten einen zusätzlichen Rahmen, der das Recht eines jeden Menschen auf Zugang zu Sexualaufklärung umfasst“ (WHO/BZgA, 2011: 24).

Möglicher Ablaufplan
So könnte ein möglicher Eltern(pflegschafts)abend ablaufen:

  • Begrüßung und Einstieg
  • Referat über die kindliche Sexualentwicklung – praxisbezogen mit Fragen von Kindern und entsprechenden Situationen aus dem Einrichtungs-/ Schulalltag (externe Fachperson)
  • Eine Lehrperson lädt die Teilnehmenden ein, sich über die eigene Aufklärungsgeschichte Gedanken zu machen (individuell oder als Murmelgespräch).
  • Diskussion in Kleingruppen zu häufigen persönlichen Fragen wie z. B. „Wie sollen sich Eltern verhalten, wenn…?“. Dies sind entweder Fragen der Teilnehmenden selber oder von pädagogischen Fachkräften auf Karten vorbereitete Fragen/Situationen.
  • Kurzer Bericht zur Gruppendiskussion im Plenum. Einzelfragen können weiter diskutiert und/oder die Expert*innenmeinung eingeholt werden.
  • Information der sozialpädagogischen Fachkraft über Ziele, Inhalte und Vorgehensweise im Bereich von sexuellen Themen im Kindergarten und den ersten Primarklassen. Dabei sollen sexualpädagogische Methoden und Medien vorgestellt werden.
  • Klärung von Fragen der Eltern/Erziehungsberechtigten
  • Eröffnung Büchertisch, Hinweise auf Broschüren
  • Verabschiedung und Dank für die Teilnahme (vgl. Valtl 1998)



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