Kulturelle und religiöse Vielfalt

Eine pädagogische Chance in Kindertageseinrichtungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Kultur und Religion – große Begriffe, die einer differenzierten Betrachtung bedürfen
  2. Früh für kulturelle und religiöse Vielfalt sensibilisieren
  3. Pädagogische Zugänge einer kultur- und religionssensiblen Bildung
  4. Ausblick
  5. LITERATUR

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Ausblick

Das hier diskutierte Handlungskonzept einer kultur- und religionssensiblen Bildung stellt ein Handlungskonzept für die Praxis zur Verfügung, das

  1. die kulturelle und religiös-weltanschauliche PluralitätPluralität|||||Pluralität bezeichnet die Koexistenz von Vielfalt. In der heutigen Gesellschaft bedeutet das, dass es häufig  vielfältige, individuelle  Interessen und Lebensstile, Bildungswege, Familienkonstellationen etc. in der Gesellschaft geben kann. in Kindertageseinrichtungen zum Ausgangspunkt nimmt,
  2. (den pädagogischen Handlungskonzepten entsprechend vom Kind ausgeht und durch die pädagogische Begründung an diese anschlussfähig ist,
  3. die Person der pädagogischen Fachkraft mit ihrer vertrauensvollen Beziehung zum Kind als Schlüssel für eine vielfaltssensible Bildung und Erziehung ansieht und
  4. den Anspruch erhebt, in Kindertageseinrichtungen unterschiedlicher Trägerschaften praktikabel zu sein.

Vor dem Hintergrund der hier diskutierten Handlungsgrundsätze und einer Studie zur interreligiösen Kompetenzentwicklung im frühkindlichen Bereich (die bundesweite Kita-Studie „Potentiale religiöser und interreligiöser Kompetenzentwicklung in der frühen Bildung“ wurde in den Jahren 2012 bis 2016 durchgeführt und wird 2019 erscheinen, Knoblauch 2019) werden abschließend potentielle Fördermöglichkeiten und Förderparameter für den konstruktiven Umgang mit kultureller und religiöser Vielfalt in Kindertageseinrichtungen diskutiert:

Seiten aus fK 0318 Art Knoblauch

Elementare Themen anbieten (z.B. Wertorientierung, existentielle Erfahrungen)
Die Themen Wertorientierung und existentielle Erfahrungen bieten Möglichkeiten, kulturelle und religiöse Vielfalt ganz gezielt als Chance wahrzunehmen. Kinder konstruieren vielfaltige und komplexe Überlegungen zum Thema Werte und kennen und diskutieren existentielle Erfahrungen. Beide Themen zeigen vielfaltige Entwicklungsmöglichkeiten auf, da die vielfaltigen kulturellen und religiösen Hintergründe der Kinder konstruktiv eingebunden werden können.

Elementare Gesprächsimpulse anbieten (z.B. Erzählungen, Erfahrungsmomente)
Eine zielgerichtete Wahrnehmung kultureller und religiöser Vielfalt benötigt den funktionalen Einsatz von Methoden. Ausgewählte Gesprächsimpulse können hier ganz besonders konstruktive Entwicklungspotentiale anbieten. Diese Gesprächsimpulse können beispielsweise durch Erzählungen und Erfahrungsmomente generiert werden und Themen der Kinder und der Einrichtungen enthalten.

Elementare Reflexionsmöglichkeiten anbieten (z.B. Feste, Begegnungen, Bildbetrachtungen)
Biografische Stationen, religiöse Feiern, Bildbetrachtungen und Begegnungen sind besonders geeignete Wege, um kindliche Reflexionsprozesse zu fordern und kulturelle und religiöse Vielfalt individuell und gemeinschaftlich wahrzunehmen und bewusst zu reflektieren.

Elementare Erfahrungen anbieten (z.B. Feste, Rituale, Traditionen)
Feste, Rituale und Traditionen bieten nachhaltige Erfahrungen an, die zur weiteren Reflexion anregen – somit zeigen sie sich als besonders geeignet für die konstruktive Annahme kultureller und religiöser Vielfalt.

Elementare Begegnungen anbieten (z.B. Eltern, Sozialraumvernetzung, Besuche)
Der kompetente Umgang mit Vielfalt entwickelt sich in der Begegnung mit anderen: Eltern, der soziale Nahraum, Besuche von außerhalb und die pädagogischen Fachkräfte selbst können vielfältige Begegnungspotentiale für Kinder anbieten.

Die hier aufgezeigte Sammlung besonders konstruktiver Förderpotentiale kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sondern ist als Anregung für die weitere Diskussion konkreter Fördermöglichkeiten zu betrachten. Die vorgestellten Förderpotentiale zeigen dabei vielfaltige Überschneidungen und Anknüpfungsmöglichkeiten.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass die fünf vorgestellten Förderpotentiale konsequent (1) bildungsbereichsverbindend, (2) nachhaltig und (3) vorurteilsbewusst zu entwickeln sind:

(1) Bildungsbereichsverbindung
Generell ist festzuhalten, dass alle Fördermaßnahmen in der Kita bildungsbereichsübergreifend bzw. bildungsbereichsverbindend zu entwickeln sind. Kulturelle und religiöse Vielfalt ist dementsprechend auch in allen Bildungsbereichen wahrzunehmen und in Zusammenhang mit verschiedenen Bildungsanlassen zu fordern.

(2) Nachhaltigkeit
Besonders intensive Erfahrungen mit und Erinnerungen an Vielfalt zeigen sich als nachhaltige Bildungsoptionen. Auf Basis von Erfahrungen und Erinnerungen können Kinder nachhaltig kulturelle und religiöse Vielfalt wahrnehmen. Die Begegnung mit Menschen unterschiedlicher Hintergründe, der Besuch gesellschaftsrelevanter Orte, das Feiern verschiedener religiöser Feste und die
Reflexion persönlicher existentieller und religiöser Fragen zeigen sich als besonders geeignete Fördermöglichkeiten für einen nachhaltigen Umgang mit Vielfalt. Dazu sind diese Entwicklungspotentiale immer wieder aufs Neue gezielt in den Alltag der Einrichtung zu integrieren, damit sie zu einem verlässlichen und immer wiederkehrenden pädagogischen Element werden können.

(3) Vorurteilsbewusstsein
Jedes Kind ist als einzigartiges Individuum und einzigartiger Konstrukteur, mit einzigartigen Vorstellungen und Erfahrungen, wahrzunehmen. Die Fähigkeit, Vielfalt als gegebene Realität betrachten zu können und dann sensibel in pädagogischen Prozessen anzunehmen, ist in allen Entwicklungspotentialen konsequent zu entwickeln. Dazu gehört auch ein achtsamer Blick auf mögliche Vorurteile und Diskriminierungen.

Kinder sind im Kontext ihrer vielfältigen Hintergründe wahrzunehmen. Auf diese Weise können Vorurteile bewusst wahrgenommen und aktiv abgebaut werden.
Die Kindertageseinrichtung hat als erste Bildungsinstitution die Chance und die Verantwortung, kulturelle und religiöse Vielfalt sensibel anzunehmen und konstruktiv zu entwickeln. Kinder haben in diesem kulturell und religiös pluralen Lebens- und Lernumfeld die Möglichkeit, sich selbst bewusst wahrnehmen und die Einzigartigkeit des Anderen zu erkennen.

Diese für Individuum und Gesellschaft relevanten Lernpotentiale benötigen eine kompetente und vielfaltssensible Begleitung durch pädagogische Fachkräfte, die ihre persönlichen Erfahrungen mit und Vorstellungen von den Begriffen ‚Kultur‘ und ‚Religion‘ immer wieder neu reflektieren.

Auf diese Weise können Kindertageseinrichtungen zu Ballungszentren kultureller und religiöser Vielfalt werden: „das heißt sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede differenziert zu entdecken, wahrzunehmen und wertzuschätzen“ (vgl. Orientierungsplan 2014, S. 167). Kulturelle und religiöse Vielfalt findet sich dabei bildungsbereichsübergreifend in allen Winkeln einer Einrichtung, sollte somit nachhaltig Thema sein und vorurteilsbewusst immer wieder neu wahrgenommen werden.



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