Rhythmik – Musik, Spiel und Tanz

Rhythmik – Musik, Spiel und Tanz

Inhaltsverzeichnis

  1. Transfereffekte und Musik
  2. Wahrnehmungsförderung durch Rhythmik
  3. Sprachförderung durch Rhythmik
  4. Sozial-emotionale Entwicklungsförderung durch Rhythmik
  5. Die Rhythmisch-musikalische Arbeitsweise

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Die Rhythmisch-musikalische Arbeitsweise

Musik, Bewegung, Sprache, Materialien und Instrumente sind die methodischen Handlungsmedien der Rhythmik, durch die sich den Kindern in kreativer und freudvoller Atmosphäre ein breites Spektrum an Förderung und individuellen Entwicklungsimpulsen erschließt.

Eine grundlegende Charakteristik der rhythmisch-musikalischen Arbeitsweise ist die Gleichzeitigkeit mehrerer Aktionsebenen und Modalitäten, die während der praktischen Durchführung ineinanderfließen und sich miteinander vernetzen. Und gerade diese Verschränkung wird heute aus neurobiologischer und psychologischer Perspektive als äußerst effizient beurteilt.

Erfahrungen werden gleichzeitig auf der kognitiven, affektiv-emotionalen und körperlichen Ebene in Form entsprechender Denk-, Gefühls- und körperlicher Reaktionsmuster verankert und aneinander gekoppelt (siehe oben unter Transfereffekte). Dieser in der Psychologie als Embodiment bezeichnete Prozess verdeutlicht, dass die komplexe und vernetzte Wirkungsweise der Methodik und Didaktik der Rhythmik den neurobiologischen und –psychologischen Lernprozessen des Menschen und vor allem des jüngeren Kindes entspricht. Damit sich Kinder in diesen vielfältig miteinander verbundenen Wirkungsfeldern erleben können, besitzt die Rhythmik ein weit gefächertes PortfolioPortfolio||||| Ein Portfolio bezeichnet ursprünglich  eine Sammlung von Objekten eines bestimmten Typs. Im  Handlungsfeld frühkindliche Bildung werden Portfolios beispielsweise wie "Ich- .Mappen" für Kinder genutzt um eigene Fortschritte zu dokumentieren. Auch in Studiengängen gibt es Beispiele, wo Portfolios als Prüfungsleistung oder Dokumentation von Entwicklungen zählen können. an Methoden, das ihnen diesen Erfahrungsraum eröffnet.

Die Methoden der Rhythmik sind
  • Spiellieder und Spielreime
  • Fortbewegungsarten
  • Tänze
  • Wahrnehmungsspiele
  • Rollenspiele
  • Impulsgespräche und Geschichten
  • Improvisation und Gestaltung von Sprache/Stimme, Bewegung und Instrumentalmusik
  • Instrumentalspiel und -begleitung
  • Ruhephasen
  • Übergänge

Nachfolgend werden zwei der oben aufgeführten Methoden ausführlicher in ihren Umsetzungsvarianten dargestellt (vgl. Hirler 2014).

Spiellieder und Spielreime
  • als Finger- und Handgestenspiele
  • mit Körperklanggesten
  • mit interpretatorischer und harmonischer Instrumentalbegleitung
  • rhythmische Begleitung des Sprach- und Liedrhythmus’
  • als Bewegungsform (Kreisspiel, Regelspiel, pantomimisch, charakteristische Bewegungen, als Tanz)
  • Verklanglichung phänomenologischer Bestandteile - als Partner- und Gruppenspiel
  • Improvisation und Gestaltung von Sprache / Stimme, Bewegung und Instrumentalmusik
  • Improvisation / Gestaltung durch Bewegung / Tanz zu Musik, Klängen, Liedern, Geräuschen, Rhythmen
  • Musikalische / sprachlich-stimmliche Improvisation oder Gestaltung zu Bewegung/Tanz, phänomenologischen Vorgängen, Fortbewegungsarten
  • Interaktionsformen, wie Spiele zu zweit
  • Experimentierphasen mit Materialien
  • Kreatives Gestalten mit Materialien
  • zu Musik / Liedern / Geschichten / Reimen mit Materialien
  • in Interaktionsformen in Kleingruppen, Spiele zu zweit

Die Haltung der pädagogischen Fachkraft bei Rhythmikangeboten ist allerdings ausschlaggebend. Eine offene Grundhaltung zu den verbalen und nonverbalen Äußerungen der Kinder, ein Eingehen auf Ideen und Bedürfnisse der Kinder ist für ein Rhythmikangebot von großer Bedeutung.

Im Spiel können wir dem „Kind im Kind“ in wertschätzender Haltung begegnen, vorausgesetzt, wir haben als Erwachsene unsere kindlichen Wesensanteile nicht über Bord geworfen. Für Kinder stellt das Spiel einen geschützten Raum dar, bei dem die Welt voller Regeln, die eingehalten werden müssen, und Rahmenbedingungen, die sie oftmals nicht wirklich vollständig erfassen können, außen vor bleibt. In der Praxis sieht dies so aus, dass die Pädagogin/der Pädagoge einen spielerischen Rahmen mit Materialien und Instrumenten konzipiert und vorbereitet, für den eine mögliche methodisch-didaktische Abfolge entworfen wird. Reagieren die Kinder anders oder entwickeln sie eigene Ideen, werden diese wenn möglich aufgenommen. Somit ist jedes Angebot unterschiedlich und einmalig. Im Rhythmikunterricht steht die Möglichkeit des entdeckenden Lernens auch im Sinne der Ko-Konstruktion zwischen Pädagoge und Kind und Kind und Kindergruppe im Mittelpunkt des spielerischen Agierens und Lernens.

Zur methodisch-didaktischen Konzeption gehören die didaktischen Unterrichtsprinzipien der Rhythmik. Die didaktischen Unterrichtsprinzipien sind:
  • Interaktion und Kommunikation
  • Sensomotorik und musikalische Bewegung
  • das rhythmische Prinzip der Gegensätzlichkeiten z.B. von Ruhe-Bewegung, alleine-zusammen, Riese-Zwerg
  • Improvisation und Gestaltung
  • das Spiel

Diese Prinzipien durchwirken sämtliche Methoden in der Konzipierung eines Angebotes und in ihrer praktischen Ausführung.

Das Bild vom Kind in der Rhythmik ist geprägt davon, Kindern die Möglichkeit zu geben, selbsttätig zu werden, damit Selbstwirksamkeit zu erfahren und Selbstbewusstsein zu entwickeln. Durch ko-konstruktive Prozesse wird eine kindgemäße Auseinandersetzung mit anderen Deutungen des Erlebten ermöglicht und dadurch Impulse für die weitere kognitive, motorische, sprachliche, musikalische und sozial-emotionale Entwicklung der Kinder gegeben.

Dokumentation von Entwicklungsschritten durch rhythmisch-musikalische Angebote in der Kita

Zur individuellen Dokumentation der Entwicklung der Kinder eignen sich besonders anschaulich Aktivitäten, in denen Kinder prinzipiell unbeschwert und freudig agieren, wie in Rhythmikangeboten. Diese in Rhythmikangeboten enthaltenen Modalitäten (zum Beispiel beim Singen und Bewegen, Tanzen, Agieren in unterschiedlichen Sozialformen, Handhabung von Instrumenten und Materialien usw.) können beobachtet, reflektiert und dokumentiert werden. Insbesondere werden dabei die Entwicklungsbereiche Motorik, sozial-emotionale Kompetenzen, Wahrnehmungsentwicklung, Sprachfähigkeit, Kreativität und musikalische Umsetzungsfähigkeiten angesprochen.

Eine Dokumentation kann die Beschreibung von Situationen und Entwicklungen im Kontext musikalischer Angebote enthalten, da dabei viele Bildungsbereiche tangiert werden. Im Folgenden einige Beispiele:
  • komplexe Prozesse, wie das Verhalten auf sozial-emotionaler, motorischer Ebene und die sprachliche Interaktion eines Kindes zum Beispiel während eines rhythmisch-musikalischen Angebotes
  • sozial-emotionale, kognitive, motorische, musikalische und sprachliche Entwicklungen innerhalb musikalischer Angebote über einen bestimmten Zeitraum
  • die Lieblingslieder oder/und die Lieblingsmusik eines Kindes
  • die Lieblingsinstrumente beim elementaren Instrumentalspiel
  • selbst erfundene Liedtexte und Melodien der Kinder (von der Fachkraft notiert oder als Tonaufnahme)
  • die Äußerungen des Kindes zu musikalischen Angeboten wie zum Beispiel beim Malen zu Musik
  • das Bild, das beim Malen zur Musik entstanden ist
  • Fotos während eines Angebotes
  • Tonaufnahmen des Kindes oder der Kindergruppe (vgl. Hirler 2014)
 
Rhythmik und Musik sind wichtige Bildungsbereiche für eine ganzheitliche Förderung von Kindern in der Kita. Das zeigt sich auch im Stellenwert, den Rhythmik und Musik in den Bildungs- und Orientierungsplänen jedes Bundeslandes einnehmen. Musikalische Bildung von Anfang an eröffnet Verständigungsmöglichkeiten über Sprachgrenzen hinweg, fördert den Spracherwerb und fördert auf der anderen Seite die kulturelle Vielfalt.

Rhythmik und Musik können durch Transfereffekte in andere Entwicklungsbereiche in der frühen Kindheit Weichenstellungen für erfolgreiche Bildungsbiografien geben. Insbesondere durch die Verbindung von Kognition und Motorik, Emotion und Interaktion, Sprache und Sinneswahrnehmung wird die kindliche Entwicklung gefördert, ebenso wie die Ausdifferenzierung der Persönlichkeit durch das vielfältige Erleben und kreative Agieren in Sozialformen.


LITERATUR

  • Gembris, H. (1998/2007): Grundlagen musikalischer Begabung und Entwicklung. Augsburg.
  • Hirler, S. (1999/2012): Wahrnehmungsförderung durch Rhythmik und Musik. Freiburg.
  • Hirler, S. (2008/2012): Musik und Spiel für Kleinkinder. Berlin.
  • Hirler, S. (2014): Handbuch Rhythmik und Musik. Freiburg.
  • Hirler, S. (2009/2015): Sprachförderung durch Rhythmik und Musik. Freiburg.
  • Hirler, S. (2015): Klangkätzchen & Trommelspecht. Aachen.
  • Hirler, S. (2017): Stuhlkreistänze für Kita-Kinder. Aachen.
  • Hirler, S. (2018): Sozial-emotionale Entwicklungsförderung durch Rhythmik und Musik. Freiburg.
  • Jackel, B. (2007): Auch Sprache ist Bewegung. In neurodidaktischen Settings über Sprechen, Bewegen und Musizieren die Plastizität von Kindergehirnen zur Entfaltung bringen. Vortrag aus 5. Süddeutsches Symposium Physiotherapie und Logopädie „Neuroplastizität zum (Be)-Handeln“. Fellbach. www.birgit-jackel.de/Kongressbeiträge
  • Jäncke, L. (2008): Macht Musik schlau? Bern.
  • Jungmann, T. (2012): Praxis der Sprach- und Kommunikationsförderung. Dortmund.
  • Kirschner, S., Tomasello, M. (2010): Joint music making promotes prosocial behavior in 4-year-old children. In: Evolution and Human Behavior, No. 31, S: 354-364, München. http://www.eva.mpg.de/psycho/pdf/Publications_2010_PDF/Kirschner_Tomasello_2010.pdf (Zugriff am 18.3.2018)
  • Koelsch, S., Siebel, W.A. (2005): Towards a neural basis of music perception. In: Trends in Cognitive Science, Vol. 9/Nr. 12. S. 231-242.
  • Merrell, K. W., Gueldner, B. A. (2010): Social and Emotional Learning in the Classroom. Promoting Mental Health and Academic Success. New York.
  • Papoušek, M., Papoušek, H. (1981): Intuitives elterliches Verhalten im Zwiegespräch mit dem Neugeborenen. In: Sozialpädiatrie in Praxis und Klinik. N. 3. S. 229-238.
  • Papoušek, M. (1994/2001): Vom Schrei zum ersten Wort. Anfänge der Sprachentwicklung in der vorsprachlichen Kommunikation. Bern.
  • Stadler Elmer, S. (2014): Kind und Musik – Entwicklungspotenziale nutzen. Heidelberg.


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