Der Kindergarten im nationalsozialistischen Deutschland

Inhaltsverzeichnis

  1. Gleichschaltung der öffentlichen Kleinkindererziehung
  2. Körperliche und charakterliche Erziehung
  3. Wehrerziehung und Erziehung in Rollenbildern
  4. Erziehung zur Führerliebe
  5. Die Erziehung zum Rassegedanken
  6. Zusammenfassung
  7. Literatur

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Zusammenfassung


Auch wenn den Nazis die völlige Unterwerfung der öffentlichen Kleinkindererziehung nicht gelang, waren trotzdem Veränderungen auf der inhaltlichen Ebene von Anfang an deutlich spürbar. Das nationalsozialistische Erziehungskonzept bestimmte mit zunehmenden Jahren die Kindergartenpädagogik immer mehr, dabei ersetzten nationalsozialistische Plattitüden und die Propaganda die pädagogische Diskussion. Reformpädagogische Ansätze einer individuellen Erziehung, wie z. B. die Montessori- oder WaldorfpädagogikWaldorfpädagogik|||||Die Waldorfpädagogik wird der Reformpädagogik zugeordnet und wurde von Rudolf Steiner begründet (1861–1925). Seine Pädagogik basiert auf einer von ihm entwickelten Menschenkunde, die spirituelle Weltanschauung, fernöstlicher Lehren sowie naturwissenschaftlichen Erkenntnisse benhaltet. In Waldorfkindergärten sollen ErzieherInnen den Kindern durch Tun und schaffen ein Vorbild geben. Naturmaterialien sind häufig Bestandteil der Einrichtung und dienen als Lern- und Spielanreiz., wurden peu à peu „ausgemerzt“. Die Gleichschaltung, Übernahme oder Auflösung der konfessionellen Kindergärten gelang nicht, trotz des Erlasses des Reichsministeriums des Jahres 1941, der die sofortige Übernahme aller konfessionellen Vorschuleinrichtungen durch die NSV bestimmte. Bedingt durch die sich verschärfende Kriegssituation einerseits und den elterlichen Protesten andererseits, ließ der Druck zur Übernahme der christlichen Kindergärten nach. Man verschob ihre „Ausmerzung“ auf die Zeit nach dem Krieg.

Bereits die Kindergartenkinder wurden ideologisch instrumentalisiert. Den politisch sowie pädagogisch Verantwortlichen ging es in erster Linie um das "Heranzüchten kerngesunder Körper", um die Vorarbeit zu soldatischer Kampf- und Opferbereitschaft, dem alle anderen erzieherischen Aspekte untergeordnet waren. Um ein nützliches, tüchtiges und zugleich gut verwendbares Mitglied der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft zu werden, sollten die Kinder zu den typischen "deutschen (germanischen) Charaktereigenschaften" hin erzogen werden, wie: Anpassungsfähigkeit, Gemeinschaftssinn, Gehorsam, Fleiß, Verträglichkeit, Ordnungsliebe und Disziplin, Sauberkeit, Pflichtbewusstsein, Leistungsbereitschaft, Fügsamkeit und Ehrfurcht gegenüber Autoritäten, Liebe zum Vaterland und seinem Führer, Sparsamkeit, Verzichtbarkeit, Opfersinn, Härte usw. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges stand die militärische Beeinflussung der Kinder verstärkt im Vordergrund, die unverblümt und ohne Rücksicht auf etwaige traumatische Kriegserlebnisse an „das große Erleben, den Krieg an der Front und in der Heimat“ (zit. n. Grossmann 2002, S. 100) herangeführt wurden. Hansjosef Buchkremmer charakterisiert treffend die Jahre 1933 bis 1945 wie folgt:

"Ideologisch war das 'Dritte Reich' in bezug auf den Kindergarten nicht sonderlich einfallsreich . Auch hier galt natürlich der absolute Vorrang der Eingliederung in die Gemeinschaft vor der Ausprägung von Individualität. Einzigartig war gewiß die perverse Ausrichtung der Kindergartenkinder auf das pseudoreligiöse Verhältnis zur Führerfigur Adolf Hitler" (Buchkremer 1995, S. 178).



volkswohlfahrtDokument (Quelle: Ida-Seele-Archiv)


Vorliegender Beitrag konnte aus Platzgründen nur ansatzweise ausgewählte Aspekte der nationalsozialistischen Kleinkindererziehung aufgreifen. Offen bleibt, inwieweit das frühpädagogische Erziehungskonzept der Nazis konkret in die pädagogische Praxis des Kindergartens umgesetzt wurde und die methodische Arbeit der Kindergärtnerinnen bestimmte. Diese Lücke bedarf einer nähren wissenschaftlichen Untersuchung. Dabei sind folgende Fragen zu beantworten: „Wie war die Situation der jüdischen Kinder und jüdischer Einrichtungen? Wie viel der "verordneten Erziehung" wurde von den Kindergärten und Erzieherinnen vor Ort wirklich umgesetzt? Welche Dimensionen hatten offener und versteckter Widerstand? Welche Folgen waren darauf zu erwarten?“ (vgl. Schleißinger, A. o.J.) Um die tatsächliche und alltägliche Kindergartenpraxis während der Nazi-Diktatur zu dokumentieren, bedarf es einer akribischen Recherche von Dokumenten (Erziehungspläne, Tagebücher, Elternbriefe, Niederschriften von Spielbeschreibungen zu bestimmten Fest- und Feiertagen usw.) in vielen Kindergärten.