Inklusion in KiTas: Eigentlich ganz normal

Inhaltsverzeichnis

  1. Inklusion als Menschenrecht
  2. Menschenrecht
  3. Bildungs- und Entwicklungsbegleitung
  4. Zusammenarbeit
  5. Ausblick
  6. Literatur

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Zusammenarbeit


Inklusion betrifft stets die gesamte Kindertagesstätte und ist ein Prozess, der von allen, die an der Erziehung und Bildung der Kinder beteiligt sind, gemeinsam gestaltet wird.

Um inklusive Prozesse zu ermöglichen, ist insbesondere eine gelingende Gestaltung von Erziehungspartnerschaften grundlegend, bei der sich frühpädagogische Fachkräfte und Eltern bzw. Bezugspersonen gleichberechtigt begegnen. Auch wenn Wert- und Erziehungsvorstellungen der Eltern von denen der Fachkräfte in der Kita abweichen, sollte stets ein professioneller respektvoller Umgang gepflegt werden. Besonders für Eltern, die bereits früh mit der medizinischen Diagnose einer Behinderung ihres Kindes konfrontiert wurden sowie für Eltern, die sich Sorgen um die Entwicklung ihres Kindes machen, etwa weil ihr Kind als „von Behinderung bedroht“ gilt, ist ein sensibler Umgang wichtig.

Ein wesentlicher Aspekt der Zusammenarbeit mit den Eltern bzw. Bezugspersonen ist die Eingewöhnung. Diese Phase ist für die Gestaltung sicherer Bindungen in der Kindertagestätte entscheidend. Kinder, die sich sicher fühlen, sind eher bereit sich auf die neue Situation in der Einrichtung einzulassen und sich für neue Erfahrungen und Lernprozesse zu öffnen. Daher geht es nicht einseitig um die Schaffung von Vertrauen, sondern stets um das Zusammenspiel von Vertrauen und Exploration. Je nach Kind ergeben sich bei der Eingewöhnung individuelle Bedarfe. Dies bedeutet auch, dass Bezugspersonen auf verschiedene Weise in den Eingewöhnungsprozess einbezogen werden. Die Eingewöhnung kann zudem unterschiedlich lange dauern. Beispielsweise kann ein Kind, das durch einen Krankenhausaufenthalt frühe Erfahrungen mit Trennung gemacht hat, besondere Ängste zeigen, auf die sensibel reagiert werden muss. Einem anderen Kind genügt dagegen schon bald ein kurzer Augenkontakt als Sicherheit und Unterstützung bei der Erkundung der neuen Umgebung in der Kindertageseinrichtung. Darüber hinaus sollten die unterschiedlichen Möglichkeiten der Kinder zu kommunizieren und sich auszudrücken bei der konkreten Gestaltung der Eingewöhnung Beachtung finden. Das Eingewöhnungskonzept sollte auf verschiedene Bindungstypen, spezifische Ausdrucksformen sowie familiäre und kulturelle Unterschiede eingehen und den Bedarfen entsprechend flexibel angepasst werden (vgl. Seitz et al., im Druck).

Inklusive Kindertageseinrichtungen sollten deshalb nicht verengt die Kinder mir ihren spezifischen Bedürfnissen betrachten, sondern auch die Lebensformen und soziokulturellen Lebenslagen der Familien vorurteilsbewusst reflektieren. Die konzeptionelle Berücksichtigung des sozialen Umfeldes ist für Kinder in Risikolagen besonders relevant. Hier ist das Konzept der Familienzentren (vgl. Diller 2005) hervorzuheben. Durch die enge Vernetzung im Stadtteil und Kooperationen mit (Familien-)Bildungs- und Beratungsangeboten ermöglichen Familienzentren eine Bündelung und Koordination von Maßnahmen, so dass Kindern in schwierigen Lebenslagen im Verbund mit ihren Eltern und Bezugspersonen Unterstützung erfahren können - wichtige Anknüpfungspunkte für eine familienorientierte inklusive Praxis.

Mindestens ebenso bedeutsam wie die Zusammenarbeit mit Eltern und Bezugspersonen ist die Arbeit im Team. Inklusion in der Kindertagestätte lässt sich nicht als Zusatzprogramm neben einem unverändert bleibenden pädagogischen Alltag umsetzen, sondern ist eine Innovationsaufforderung an alle Ebenen der Einrichtung – sie kann daher eine Chance zur Organisationsentwicklung sein, aber auch ein Hinweis auf notwendige Reformprozesse.

Ein hilfreiches Instrument zur Entwicklung inklusiver Qualität in Kindertagesstätten ist der Index für Inklusion in Kindertageseinrichtungen (vgl. Booth/Ainscow/Kingston 2006). Mit diesem Instrument können Einrichtungen ihren Entwicklungsprozess in die eigene Hand nehmen, realistische Entwicklungsziele festlegen und überprüfen. Das Manual gibt Hilfe für alle Dimensionen von Qualitätsentwicklung: inklusive Strukturen (Strukturqualität), inklusive Kulturen (Orientierungsqualität) und inklusive Praktiken (Prozessqualität). Es verbindet dabei Anfragen an die Beteiligten zum vorhandenen Wissen, den gesammelten Erfahrungen, Ideen und bestehenden Ressourcen sowie zu möglichen Barrieren in der Einrichtung und folgt dabei stets einem übergreifenden Blick auf Heterogenität.

Entscheidend für das Gelingen inklusiver Praxis ist eine intensive Kommunikation innerhalb des Teams der Einrichtung. Die pädagogischen Fachkräfte und multiprofessionalen Teams sollten jeweils die gemeinsame Verantwortung für alle Kinder der Gruppe übernehmen und ihre Zuständigkeiten aufgabenbezogen statt kindspezifisch aufteilen. Dies betrifft insbesondere die Abstimmungsprozesse zwischen pädagogischen Fachkräften und Integrations- bzw. Frühförderkräften. Das regelhafte Herausnehmen einzelner Kinder, die unter der Maßgabe von Eingliederungshilfe Unterstützung erhalten, aus der Gruppe ist letztlich ein Relikt eines medizinischen Modells von Behinderung, es kann zur Ausgrenzung dieser Kinder beitragen und die Abstimmung der Fachkräfte erschweren (vgl. Seitz/Korff 2008). In der inklusiven Praxis sollte individuelle Unterstützung einzelner Kinder demgegenüber nicht auf Kosten von sozialer Einbindung gehen und die Ressource des Lernens von Kind zu Kind aktiv nutzen. Bei so verstandener gelingender Zusammenarbeit können die jeweiligen Kompetenzen der verschiedenen Fachkräfte allen Kindern zugutekommen, auch können Abstimmungen zu diagnostischen Einschätzungen und geeignetem pädagogischen Handeln besser gelingen (vgl. Seitz, im Druck).

Auch die Kooperation mit externen Partnern bietet vielfältige Chancen zur  Erweiterung der eigenen fachlichen Perspektive. Durch die intensive Zusammenarbeit des Teams mit externen Therapeut/innen und Frühförderkräften können die unterschiedlichen Praxiskompetenzen und das fachspezifische Wissen zusammengeführt werden. Die gemeinsame Fallberatung ermöglicht es besonders im Hinblick auf Kinder in Risikolagen, frühzeitig gemeinsame Strategien zu entwickeln. Eine wichtige Grundlage dieser fachlichen Kooperation ist eine dialogische Haltung. Dazu gehört sowohl die Bereitschaft eigene Kompetenzen zu teilen als auch im Sinne kollegialer Beratung auf die Kompetenzen von anderen Fachkräften zurückzugreifen und sich dabei reflektiert mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen.