Projekte

Wie Kinder die Welt sehen – Wahrnehmung, Informationsverarbeitung und kognitive Stile in unterschiedlichen kulturellen Gruppen

Projektbeschreibung:

 

Ein Projekt der Forschungsstelle Entwicklung, Lernen und Kultur des nifbe

 

Projektleitung:

 

Projektmitarbeiter:

 

 

Hintergrund und Fragestellung

Leon aus einer Osnabrücker Kindertagesstätte werden verschiedene Aufgaben vorgelegt: „Erzähl mir mal etwas über dieses Bild hier“, fragt die Versuchleiterin. „Ein Obststand und die Menschen kaufen das Obst“, antwortet Leon. Ein anderes Kind antwortet: „Dort sind Äpfel, dort Birnen und da auch noch Zitronen“. An diesen beiden Antworten wird deutlich wie unterschiedlich Kinder Informationen ihrer Umwelt beschreiben und somit auch unterschiedlich verarbeiten. Kinder, und ebenso Erwachsene, verarbeiten und erinnern Informationen in unterschiedlicher Art und Weise. Hierbei wird auch von Wahrnehmungsstilen gesprochen. Im Schulalltag gewinnen sogenannte Lernstile oder Lernstrategien an Bedeutung, um Rücksicht auf unterschiedliche Herangehensweisen der Kinder zu nehmen und nicht nur einen ganz bestimmten Lösungsweg zu fordern und zu fördern.


Bisherige Forschung in diesem Gebiet hat gezeigt, dass Kinder und Erwachsene verschiedener Herkunft große Unterschiede in Wahrnehmungsstilen zeigen. In Kulturen, bei denen soziale Beziehungen sehr wichtig sind – wie zum Beispiel in asiatischen Kulturen – wird der Kontext einer Situation oder eines Bildes berücksichtigt und Beziehungen zwischen Objekten werden wahrgenommen (holistischer Stil). Im Gegensatz dazu werden in an Autonomie orientierten Kulturen – wie zum Beispiel in den USA – Objekte eher in Einzelteilen separat wahrgenehmen, ohne den Kontext oder Beziehungen zu berücksichtigen (analytischer Stil). Es scheint also, als würde sich die kulturelle Prägung auf unsere Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen – wie wir die Welt sehen – auswirken.

 

Untersuchungsdesign

Mit verschiedenen Aufgaben versuchen wir in diesem Projekt herauszufinden wie 4- und 6-jährige Kinder unterschiedlicher Herkunft Informationen aus ihrer Umwelt verarbeiten und wie sie darüber denken. Zählt der Gesamteindruck (holistisch) oder wird das Wahrgenommene in Einzelteile zerlegt (analytisch)? Hängen die zugrunde liegenden kulturellen Modelle der Autonomie, Relationalität und autonomautonom|||||Autonomes Handeln beinhaltet den Zustand der Selbstständigkeit, Unabhängigkeit Selbstbestimmung, Selbstverwaltung oder Entscheidungsfreiheit.en Relationalität der Kontexte mit den Wahrnehmungsstilen zusammen? Des Weiteren wollen wir herausfinden, ob Kinder einen ähnlichen Stil wie ihre Mütter vorweisen, weshalb ebenso der mütterliche Wahrnehmungsstil untersucht wird.


Hierbei erheben wir Stichproben in Deutschland (Berlin und Osnabrück), Kamerun (ländliche und städtische Nso) und Indien (Delhi). Innerhalb Deutschlands scheint es uns von großer Bedeutung, auch Familien mit Migrationshintergrund einzubeziehen. Da türkischstämmige Familien die größte Migrantengruppe in Deutschland darstellen, beziehen wir türkischstämmige Kinder und deren Mütter mit ein.


Alle Kinder werden zwei Mal in ihrer Kindertagesstätte oder zu Hause besucht und erledigen verschiedene Aufgaben zusammen mit einer Versuchleiterin. Den Kindern werden verschiedene Aufgaben vorgelegt, bei denen es darum geht, festzustellen, ob ein Kind eher holistisch oder analytisch wahrnimmt. Die gleichen oder ähnliche Aufgaben werden auch mit der Mutter durchgeführt, um ihren Wahrnehmungsstil zu erheben. Des Weiteren wird ein Sprachtest mit den Kindern durchgeführt, um den allgemeinen Entwicklungsstand des Kindes zu bestimmen.

 

Aktueller Stand

Die Datenerhebung der Osnabrücker Stichprobe deutsch stämmiger Familien (N = 78) sowie der städtischen kamerunischen Nso Stichprobe (N = 31) ist bereits abgeschlossen. Die Daten werden derzeit in ein Statistikprogramm eingetragen und ausgewertet. Die Datenerhebung einer Osnabrücker Stichprobe türkisch stämmiger Familien sowie einer städtischen kamerunischen Nso Stichprobe findet derzeit noch statt. In Delhi ist die Datenerhebung für Mitte 2010 geplant. Ebenso befinden sich Auswertungsschemas für einzelne Aufgaben noch in der Entwicklung.


Ergebnisse in Bezug auf den kindlichen sowie mütterlichen Wahrnehmungsstil können voraussichtlich in einem halben Jahr berichtet werden. Wenn so früh in der Entwicklung Unterschiede in der Art und Weise Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten festgestellt werden sollten, hätte dies weitreichende Implikationen für das hiesige Bildungssystem. Um allen Kindern von Anfang an die gleichen Chancen zu gewährleisten, ist es wichtig, individuelle Vorlieben der Kinder zu berücksichtigen, um sie optimal zu fördern.

Projektdetails

Projektart:Forschungsprojekt
Träger:nifbe-Forschungsstelle Entwicklung, Lernen und Kultur
Straße:Artilleriestr. 34
Ort:49069 Osnabrück